Rn 5

Grds ist eine Annahme eines Volljährigen dann zulässig, wenn sie sittlich gerechtfertigt ist, da die Herstellung familiärer Beziehungen nicht der freien Disposition der Beteiligten überlassen werden soll (Hambg Beschl v 18.4.18 – 2 UF 144/17, juris Rz 19). Dieses restriktiv auszulegende Tatbestandsmerkmal dient dazu, missbräuchliche Annahmen von Volljährigen zu verhindern, die vorrangig auf die Erreichung auf der Wahlverwandtschaft beruhender, günstiger Rechtspositionen im Bereich des Vermögens-, Steuer-, Namens- oder auch Ausländerrechts abzielen (BGH NZFam 21, 964, 969 f). Ob eine sittliche Rechtfertigung zu bejahen ist, ist iR einer umfassenden Einzelfallwürdigung festzustellen. Falls nach erfolgter Abwägung begründete Zweifel an der sittlichen Rechtfertigung verbleiben, hat das FamG den Adoptionsantrag abzulehnen (Nürnbg NZFam 14, 964 m zustimmender Anm Friederici). Solche Zweifel können bspw bei einer relativ kurzen Dauer der Beziehung, aber auch aufgrund des Alters oder Gesundheitszustands des Annehmenden angezeigt sein (Brandbg FamRZ 19, 1721).

 

Rn 5a

Eine sittliche Rechtfertigung ist nach I Hs 2 insb dann gegeben, wenn ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist. Unter Erwachsenen bedarf es für ein Eltern-Kind-Verhältnis einer auf Dauer angelegten Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand, vergleichbar dem typischerweise zwischen leiblichen Eltern und Kindern geleisteten (BayObLG NJOZ 03, 3112, 3115). Haben die Annehmenden und Anzunehmenden keine häusliche Gemeinschaft begründet, kontraindiziert dies ein Eltern-Kind-Verhältnis (Brandbg FuR 20, 316). Im Fall der beabsichtigten Adoption eines Schwiegerkindes kann von einer sittlichen Rechtfertigung ausgegangen werden, wenn die Schwägerschaftsbeziehung die Ehe überdauert hat und in der Folge eine vom leiblichen Kind des Annehmenden eigenständige Eltern-Kind-Beziehung zwischen Annehmenden und Anzunehmenden entstanden ist (Köln NZFam 19, 648).

 

Rn 5b

Entscheidender Anlass für die Annahme muss ein familienbezogenes Motiv sein. Dabei kann es sich auch um die Regelung der Unternehmens- oder Hofnachfolge handeln (München FamRZ 20, 516). Steuerliche Motive stehen dem nicht entgegen (Schlesw FamRZ 20, 615). So muss auch die Ersparnis von Erbschaftssteuer nicht einer Adoption entgegenstehen, sie darf allerdings auch nicht das Hauptmotiv sein (Karlsr NJW-RR 06, 364). Steht dagegen nur die finanzielle Absicherung des Anzunehmenden im Vordergrund, ist die Adoption unzulässig (München FamRZ 10, 46–47).

 

Rn 5c

Eine zeitweise geschlechtliche Beziehung zwischen Annehmendem und Anzunehmendem führt zu einem Annahmehindernis für eine spätere Erwachsenenadoption, da sexuelle Beziehungen kein Inhalt eines Eltern-Kind-Verhältnisses sind (München FuR 06, 138; Zweibr MDR 20, 676).

 

Rn 5d

Da die leiblichen Eltern in die Volljährigenadoption mit schwachen Wirkungen nicht einwilligen müssen, sind ihre Interessen in die Prüfung der sittlichen Rechtfertigung einzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass trotz ihrer ggf in der Vergangenheit erfolgten Pflege- und Unterhaltsleistungen durch die Volljährigenadoption gleichrangige Elternteile rechtlich neben sie treten, mit denen sie zB im Fall der Unterhaltsbedürftigkeit konkurrieren. Eine weitere, stärkere Berücksichtigung finden die Interessen der Eltern gem § 1772 I 2, wenn die Adoption eines Volljährigen mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption erfolgen soll, denn in diesem Fall treten nicht nur gleichrangig neue rechtliche Elternteile neben sie, sondern ihr Verwandtschaftsverhältnis zum Angenommenen erlischt. Für die Einzelheiten wird auf die dortige Kommentierung verwiesen.

 

Rn 5e

Stark einzelfallabhängig wird in der Rspr die Frage entschieden, ob ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen Annehmendem und Anzunehmendem bejaht werden kann, wenn ein Anzunehmender noch zu einem oder beiden leiblichen Elternteilen ein intaktes Verhältnis hat. Einerseits wird eine ungestörte, intakte Beziehung zu einem leiblichen Elternteil, sofern dieser nicht wie im Fall der Stiefkindadoption ein Lebensgefährte des Annehmenden ist, als deutliches Indiz gegen das Vorliegen eines Eltern-Kind-Verhältnisses gewertet (Bremen FuR 17, 459; Karlsr FamRZ 22, 1630). Andererseits wird vertreten, dass ein intaktes Verhältnis zu den leiblichen Eltern die sittliche Rechtfertigung bei einer Volljährigenadoption nicht ausschließt (Hambg FuR 19, 297; Stuttg MDR 19, 354). Dies soll selbst dann gelten, wenn der volljährige Anzunehmende noch im Haus der leiblichen Eltern wohnt und diese ihr Einverständnis mit der Adoption erklärt haben (München FuR 18, 266). Nach dem BGH besteht jedoch keine Lebenserfahrung dahingehend, dass eine Person, welche in der Kindheit ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis zu seinen leiblichen Eltern aufgebaut hat, eine Beziehung mit vergleichbarer Qualität zu Dritten, seien dies Verwandte oder familienfremde Personen, entwickeln kann (FamRZ 21, 1897, 1901).

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