Rn 5

Das Kindeswohl kann durch die missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge gefährdet sein. Sie liegt vor, wenn von dem Sorgerecht durch aktives Tun falsch, rechtswidrig und zweckwidrig Gebrauch gemacht wird in einer dem Wohl des Kindes und dem Erziehungsziel objektiv zuwiderlaufenden, jedem besonnen denkenden Elternteil erkennbaren Weise; eine lediglich unzweckmäßige, unpraktische oder ungeschickte Verhaltensweise oder Maßnahme ist noch nicht rechtsmissbräuchlich (BayObLG FamRZ 81, 999 [BayObLG 30.06.1981 - BReg. 1 Z 37/81]). Klassische Fälle des Missbrauchs der elterlichen Sorge sind die körperliche und seelische Misshandlung, insb der sexuelle Missbrauch, aber auch die aktive Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung.

 

Rn 6

Bsp: Fehlende Rücksichtnahme auf Eignung und Neigung des Kindes bei der Ausbildungswahl (BayObLG FamRZ 82, 634, 636); Gewalttaten (Hamm FamRZ 96, 1029; 05, 1274; Frankf FamRZ 08, 1554; Köln FamRZ 11, 571); Herausgabeverlangen und Aufenthaltswechsel des Kindes zur Unzeit (BayObLG FamRZ 81, 814; 82, 1118; 82, 1239; 84, 932; 85, 312; 94, 781; 92, 1221; Celle 84, 931; Frankf FamRZ 09, 990, AG München DAVorm 1995, 1004), soweit nicht § 1632 IV genügt; Kindesentziehung/-entführung (Bambg FamRZ 1987, 185, 187; Frankf FamRZ 18, 1319 zur Anordnung und Durchsetzung einer Grenzsperre); körperliche und seelische Misshandlungen (BayObLG FamRZ 82, 1239; 93, 229; 94, 975; 99, 178; Hamm FamRZ 09, 1352; Brandbg FamRZ 09, 2100; Schlesw FamRZ 17, 718 mAnm Hammer; zu Rückführung bei Schütteltraumaverdacht Frankf FamRZ 18, 1675); fehlende Empathie (Hamm FamRZ 10, 1745); offen ausgetragene Elternkonflikte (Köln FamRZ 11, 1307; 12, 726); Beschneidung (Dresd FamRZ 03, 1862); Missachtung der Schulpflicht (BGH FamRZ 08, 45;BayObLG NJW 84, 928; AG Saarbrücken FamRZ 03, 1859; Köln FamRZ 13, 1230; 15, 675; Frankf 14, 1857; Nürnbg FamRZ 16, 564; Celle FamRZ 22, 111; Bambg FamRZ 22, 458; KG FamRZ 22, 1623; Karlsr FamRZ 22, 1857; EGMR 19, 449; Hamm FamRZ 14, 398: im Einzelfall verneinend; 14, 1379; ebenso Dresd FamRZ 15, 676; KG FamRZ 22, 1619; vgl EGMR FamRZ 20, 33; Verweigerung Homeschooling Celle FamRZ 21, 427), sofern dies zur Kindeswohlgefährdung führt (Ddorf FamRZ 19, 35; Hamm FamRZ 20, 344) und nicht unverhältnismäßig ist, weil etwa gegen Willen einer 14-Jährigen (Schlesw FamRZ 19, 453); Verhinderung Förderschulenbesuch (vgl BverfG FamRZ 20, 1565); Eltern gehören Glaubensgemeinschaft der ›Zwölf Stämme‹ an (Nürnbg FamRZ 15, 1908; EuMR FamRZ 18, 689; 19, 594); sexueller Missbrauch, Überbehütung (AG Moers FamRZ 86, 715); Anfertigung pornografischer Fotos (Frankf FamRZ 18, 926); Besitz kinderporografischer Videos (Kobl FamRZ 20, 1648); Umgangsverhinderung (BGH FamRZ 12, 99, 101 mAnm Luthin; BayObLG DAVorm 1983, 377; 1982, 600); verfehltes Erziehungsmodell (Kobl FamRZ 07, 1680); Verhinderung notwendiger medizinischer Behandlung (Celle NJW 95, 792; BayObLG FamRZ 95, 1437); kein Sorgerechtsmissbrauch aber, wenn – etwa bei irreversibler Bewusstlosigkeit des Kindes – die Entscheidung, lebensverlängernder Maßnahmen zu unterlassen oder zu beenden, das Wohl des Kindes wahrt (Hamm NJW 07, 2704); Verweigerung der sachverständigen Exploration des Kindes (Celle FamRZ 19, 1930; Frankf FamRZ 20, 177); Störung der Traumaverarbeitung der Kinder nach Ermordung der Mutter durch Vater (Brandbg FamRZ 20, 2010).

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