Rn 2

Die Anfechtungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem die anfechtungsberechtigte Person von Umständen Kenntnis erlangt, die gg die Vaterschaft sprechen und einen zulässigen Antrag (sog Anfangsverdacht iSv § 1599 I) begründen können. Die Frist beginnt jedoch nicht vor der Geburt des Kindes bzw nicht vor Wirksamwerden der Vaterschaftsanerkennung (Abs 2 S 1). Für den Lauf der Frist muss die Geburt des Kindes dem Anfechtungsberechtigten bekannt sein (BGH FamRZ 08, 1921). Gerüchte oder Mutmaßungen setzen die Anfechtungsfrist nicht in Lauf. Für die Mutter des Kindes beginnt die Frist mit der Geburt des Kindes (Hamm FamRZ 99, 1362; BGH FamRZ 20, 1004). Die Frist zur Anfechtung durch den rechtlichen Vater beginnt mit der Kenntnis von Tatsachen für einen Anfangsverdacht, während für den leiblichen Vater auf die Kenntnis von der Geburt des Kindes abzustellen ist (Hamm FamRZ 20, 1846). Besteht zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind eine sozialfamiliäre Beziehung (§ 1600 Rn 4), hindert dies den Lauf der Anfechtungsfrist für den leiblichen Vater nicht (Abs 1 S 2 Hs 2; Hamm FamRZ 16, 1382).

 

Rn 3

Das minderjährige Kind oder der geschäftsunfähige Volljährige (§ 1600a II 3) erlangt Kenntnis durch seinen gesetzlichen Vertreter (§ 166 I; BGH FamRZ 17, 123), wobei der Ausschluss des Vertretungsrechts zu beachten ist. Ist auch die Mutter des Kindes an der Vertretung gehindert, ist für den Fristbeginn die Kenntnis des Ergänzungspflegers maßgeblich (Nürnbg FF 17, 422; Kobl FamRZ 15, 1122). Wurde die Anfechtungsfrist durch den gesetzlichen Vertreter versäumt, führt der Wechsel des gesetzlichen Vertreters nicht zu einem Neubeginn der Frist (Celle FamRZ 12, 567). Ist die Anfechtungsfrist für das minderjährige Kind abgelaufen, kann dieses mit Volljährigkeit und eigener Kenntnis selbst die Vaterschaft anfechten (Abs 3).

 

Rn 4

Der Lauf der Frist setzt die nach objektiver und verständiger Beurteilung eines medizinisch-naturwissenschaftlich nicht vorgebildeten Laien sichere Kenntnis von den die Anfechtung rechtfertigenden Umständen voraus. Da idR keine Nachforschungspflicht besteht, genügt fahrlässige Unkenntnis nicht (Kobl NJW-RR 23, 219). Dabei wird die gewöhnliche Schwangerschaftsdauer sowie Durchschnittsgröße und -gewicht eines neugeborenen Kindes vorausgesetzt (BGH FamRZ 90, 507). Weitere Umstände können einer sicheren Kenntnis entgegenstehen, zB, wenn die Kindesmutter dem Anfechtungsberechtigten mitteilt, der andere Mann sei nach ärztlichem Attest zeugungsunfähig, sodass eine Empfängnis durch die andere intime Beziehung in hohem Maße unwahrscheinlich erscheint (BGH FamRZ 89, 169; Ddorf FamRZ 95, 315).

 

Rn 5

Nach Abs 3 und 4 wird die Anfechtungsfrist verlängert, sodass das (früher) minderjährige oder geschäftsunfähige Kind mit Erreichen der Volljährigkeit bzw nach Wegfall der Geschäftsunfähigkeit die Vaterschaft mit einer erneuten, ebenfalls kenntnisabhängigen, zweijährigen Frist selbst anfechten kann. Das volljährige Kind muss sich zwar die vom gesetzlichen Vertreter herbeigeführte gerichtliche Entscheidung iR deren Rechtskraft entgegenhalten lassen. Gleichwohl ist die Abweisung des Antrags wegen Fristversäumung oder fehlender Kindeswohldienlichkeit für das volljährige Kind wegen der erneuten Anfechtungsfrist nach Abs 3 unschädlich. Eine erneute Anfechtungsfrist besteht nach Abs 6, wenn das Kind von Umständen Kenntnis erlangt, aufgrund derer die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden. Das Auseinanderbrechen der Beziehung der Mutter zum rechtlichen Vater, fehlender Kontakt oder völliges Desinteresse oder die Anerkennung durch einen anderen Mann können zu einer erneuten Anfechtungsfrist führen (Celle Jamt 06, 143; Brandbg FamRZ 09, 59).

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