Rn 1

Die Vorschrift enthält keine Anspruchsgrundlage, sondern eine inhaltliche Beschränkung der Erwerbsobliegenheit, wenn nach §§ 1570 ff eine Erwerbstätigkeit zu erwarten ist (BGH FamRZ 83, 144). Dem (geschiedenen) Ehegatten wird nicht jede Erwerbstätigkeit angesonnen, sondern nur eine ›angemessene‹. Das UÄndG 2008 hat § 1574 I u II infolge der stärkeren Betonung des Grundsatzes der Eigenverantwortung (§ 1569) neu gefasst und damit die Anforderungen an die (Wieder-)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach Scheidung erhöht. Neu aufgenommen in den Abwägungskatalog wurde eine frühere Erwerbstätigkeit. Hingegen stehen die ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr gleichrangig neben den sonstigen Kriterien zur Bestimmung einer angemessenen Erwerbstätigkeit (Ausbildung, Lebensalter, Fähigkeiten, Gesundheitszustand). Ggf gute Einkommensverhältnisse in der Ehe, die dazu führen konnten, dass eine erlernte einfache berufliche Tätigkeit nicht mehr als angemessen anzusehen war (vgl BGH FamRZ 83, 144), sind nicht mehr mit gleichem Gewicht wie die sonstigen Merkmale zu berücksichtigen, sondern allenfalls in einer zweiten Stufe als Korrektiv iRe Billigkeitsprüfung. Danach bleibt der Schutz eines Ehegatten vor einem sozialen Abstieg aufgrund einer nachhaltigen gemeinsamen Gestaltung der Ehe va also bei einer langen Ehedauer, in der sich bei guten Einkommensverhältnissen eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit entwickelt hat, erhalten. Kommt allein die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit in Betracht, die als nicht angemessen anzusehen ist, kann eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden. In Mangelfällen wird § 1574 durch § 1581 eingeschränkt. Dem geschiedenen Ehegatten kann eine über § 1574 hinausgehende Obliegenheit zum Einsatz seiner Erwerbsfähigkeit treffen (BGH FamRZ 83, 569; zu Einzelheiten vgl § 1581 Rn 17). Wird wegen Verstoßes gegen die Erwerbsobliegenheit Einkommen fingiert, bedarf es einer genauen Prüfung, mit welchem Einkommen der Bedürftige nach seinen konkreten persönlichen Eigenschaften bemessen werden kann (BGH NJW 96, 517 [BGH 15.11.1995 - XII ZR 231/94]; vgl iÜ Vor § 1577 Rn 35).

 

Rn 2

§ 1574 III enthält eine Obliegenheit, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, soweit dies zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist.

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