Gesetzestext

 

(1) Der Schuldner kann die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre.

(2) Grobe Unbilligkeit kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Ehegatte, der den geringeren Zugewinn erzielt hat, längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die gesetzliche Zugewinnausgleichsregelung ist bewusst schematisch getroffen worden. Sie lässt für individualisierende Wertungen keinen Raum. Für Fälle, in denen das Ergebnis des Zugewinnausgleichs dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde, gibt die Norm jedoch die Möglichkeit, die Zugewinnausgleichsforderung herabzusetzen oder ganz entfallen zu lassen. Dabei dürfen nicht die auf Starrheit und Schematismus der Regeln über den Zugewinnausgleich beruhenden Ergebnisse nach Billigkeitsmaßstäben korrigiert werden (Ddorf FamRZ 15, 1497). Eine Billigkeitskorrektur ist nur möglich, wenn die Grundlagen des Zugewinnausgleichs gestört sind oder, wenn der nach den gesetzlichen Vorgaben ermittelte Zugewinnausgleich im Einzelfall den Sinn und den Gerechtigkeitsgehalt der Vermögensteilhabe unter Ehegatten grob verfehlt (BGH FamRZ 18, 1415; FamRZ 92, 787), dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH FamRZ 92, 787; 80, 877). Die Norm wird daher eher einschränkend ausgelegt. Die Nichtberücksichtigung des Wertes einer in das Endvermögen der später verstorbenen Ehefrau fallenden Lebensversicherung, die an den Ehemann ausgezahlt worden ist, kann auf das Verbot der Doppelberücksichtigung gestützt werden, eines Rückgriffs auf § 1381 bedarf es nicht (aA Hambg FamRZ 15, 749).

 

Rn 2

Die Anforderungen sind strenger als die iRd §§ 242 oder 1579 (BGH FamRZ 92, 787; FamRZ 80, 877). Die grobe Unbilligkeit kann nur der Ausgleichsschuldner für sich reklamieren, während sie nicht zur Begründung oder Erhöhung eines Anspruchs herangezogen werden kann (Staud/Thiele Rz 3).

 

Rn 3

Das Leistungsverweigerungsrecht ist eine Einrede, die die Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf Dauer hindert. Auf sie kann durch einseitige formlose Erklärung verzichtet werden (BGHZ 22, 267), antizipiert aber nur in den Grenzen des § 1378 III (Grüneberg/Brudermüller Rz 8). Sie kann auch von den Erben des ausgleichspflichtigen Ehegatten ausgeübt werden (BGH FamRZ 02, 606). Hat der Schuldner schon geleistet, kann er in den Grenzen des § 814 einen Bereicherungsanspruch aus § 813 haben.

 

Rn 4

In ihrem Anwendungsbereich stellt die Norm eine Generalklausel dar, die die Anwendung des § 242 ausschließt (BGH FamRZ 89, 1276), jedoch nicht außerhalb, weshalb zB wegen späterer Ereignisse der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung oder Verwirkung geltend gemacht werden kann (BGH FamRZ 77, 38 [BGH 13.10.1976 - IV ZR 104/74]).

B. Grobe Unbilligkeit.

I. Der Begriff.

 

Rn 5

Die grobe Unbilligkeit darf nicht nur vorübergehend zu bejahen sein, weil andernfalls die Möglichkeit der Stundung nach § 1382 besteht (BGH NJW 70, 1600). Maßstab für die Billigkeitskorrektur ist die idealgerechte Durchführung des Zugewinnausgleichs auf der Grundlage des vom Gesetz angenommenen Grundmusters. Deshalb ist sie nicht gegeben, wenn ein Ehegatte Vermögen nur durch seine besondere Tüchtigkeit erworben hat, oder wenn dem Vermögenserwerb jegliche innere Beziehung zur ehelichen Lebensgemeinschaft fehlt, zB bei Grundstückserwerb nur wenige Wochen vor dem Ende der Ehezeit und Finanzierung des vollen Kaufpreises (aA: Celle FamRZ 92, 1300) oder wenn innerhalb der Trennungszeit eine Wertsteigerung der Immobilie eines Ehegatten eintritt (Ddorf FamRZ 15, 1497).

 

Rn 6

Im Fall der Verletzung wirtschaftlicher Verpflichtungen nach II ist stets schuldhaftes Handeln Voraussetzung für die Annahme grober Unbilligkeit (BGH FamRZ 92, 787; 80, 877), wobei der konkrete Sorgfaltsmaßstab des § 1359 heranzuziehen ist, während die Pflichtverletzung nicht unentschuldbar iSv unverzeihlich sein muss (Staud/Thiele Rz 12). Bei anderen als wirtschaftlichen Gründen fordert die Norm dagegen nicht stets schuldhaftes Verhalten (BGH FamRZ 02, 606).

 

Rn 7

Die Pflichtwidrigkeiten müssen länger andauern. Hinsichtlich des Zeitraums ist auf die Dauer der Ehe oder des Güterstandes abzustellen (BGH FamRZ 80, 877; Celle FamRZ 79, 431). Je länger die Ehe dauert, desto höher sind die Anforderungen an die Dauer der Pflichtverletzungen (BGH FamRZ 80, 877 [BGH 09.07.1980 - IVb ZR 531/80]), während es auf die Dauer der Ehe allein nicht ankommt (Schulz/Hauß S 182).

 

Rn 8

Hat der Schuldner das Verhalten des Ehegatten gebilligt, ist § 1381 nicht anzuwenden. Das duldende Gewährenlassen ist aber noch keine Billigung, da Ehegatten nicht zum Widerspruch berechtigt oder gar verpflichtet sind.

 

Rn 9

Nicht berücksichtigt werden können nacheheliche Umstände, da mit der Beendigung der Ehe jede güterrechtliche Bindung zueinander endet (Staud/Thiele Rz 19; MüKo/Koch Rz 25; Grüneberg/Brudermüller Rz 6; aA: Ddorf FamRZ 95, 3183, 87, 821). Nicht herangezogen w...

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