Rn 2

Die Regelung aus S 1 gilt für alle Willenserklärungen, unabhängig davon, ob es sich um ausdrückliche, konkludente, empfangsbedürftige oder nicht empfangsbedürftige Erklärungen handelt. Auf rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen ist die Bestimmung entspr anwendbar. Auch im Öffentlichen Recht ist sie heranzuziehen (Erman/Arnold § 116 Rz 4); zur Internetversteigerung § 117 Rn 4.

 

Rn 3

Ein geheimer Vorbehalt (Mentalreservation) liegt vor, wenn der Vorbehalt dem Erklärungsempfänger bzw demjenigen verheimlicht wird, für den die Erklärung bestimmt ist. Der Vorbehalt darf keinen ausreichenden Ausdruck gefunden haben. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen kann der Vorbehalt auf eine andere Person zielen als den Empfänger. Bei einem Gebot unter der Hälfte des Grundstückswerts im ersten Zwangsversteigerungstermin ist der geheime Vorbehalt des fehlenden Erwerbswillens unschädlich, da ein solches Gebot nach § 85a I ZVG nicht zum Grundstückserwerb führen kann (BGH NJW 07, 3279 [BGH 10.05.2007 - V ZB 83/06] Tz 10, denkbar ist ein Rechtsmissbrauch; s.a. BGH NJW 06, 1355 Tz 14; Hasselblatt NJW 06, 1320 [BGH 24.11.2005 - V ZB 98/05]). Für die Stellvertretung ist zu unterscheiden: Schließt der Vertreter das Geschäft im eigenen Namen, ist sein Vorbehalt, für den Vertretenen handeln zu wollen, bereits nach § 164 II wirkungslos. Behält sich der Vertreter insgeheim vor, im eigenen Namen zu handeln, ist sein Vorbehalt nach § 116 1 unwirksam. Die kollusive Abrede eines Scheingeschäfts zwischen Vertreter und Geschäftsgegner, die dem Vertretenen ggü geheim bleiben soll, ist analog § 116 1 unwirksam.

 

Rn 4

Hat der Empfänger den Vorbehalt durchschaut, fehlt seine Schutzbedürftigkeit. Die Willenserklärung ist nach § 116 2 nichtig. Der Empfänger muss den Vorbehalt kennen, bedingter Vorsatz genügt. Kennenmüssen, § 122 II, ist nicht ausreichend. Bei einer Vollmachtserteilung ist die Kenntnis des Geschäftsgegners und nicht des Bevollmächtigten maßgebend (BGH NJW 66, 1916 [BGH 04.07.1966 - VIII ZR 90/64]). Bei einer amtsempfangsbedürftigen Erklärung ist die Kenntnis des Beamten unerheblich (BayObLG DtZ 92, 285). Ihrem Wortlaut nach gilt die Vorschrift nur für amts- bzw allg empfangsbedürftige Willenserklärungen. Auf nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen kann § 116 2 analog anwendbar sein. Dies ist str für die Auslobung (Flume § 20 1), str für letztwillige Verfügungen (einerseits Jauernig/Mansel§ 116 Rz 4; Erman/Arnold § 116 Rz 4; andererseits Frankf OLGR 93, 467). Für die Eheschließung gelten die §§ 1311, 1314. Auf Prozesshandlungen ist die Vorschrift unanwendbar.

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