Gesetzestext

 

(1) Dem Gegner gegenüber erlangt die Kündigung des Vollmachtvertrags erst durch die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht, in Anwaltsprozessen erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit.

(2) Der Bevollmächtigte wird durch die von seiner Seite erfolgte Kündigung nicht gehindert, für den Vollmachtgeber so lange zu handeln, bis dieser für Wahrnehmung seiner Rechte in anderer Weise gesorgt hat.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Auch § 87 regelt wie § 86 lediglich die Folgen eines Erlöschens der Vollmacht durch Kündigung im Verhältnis zu Gericht und Gegner, mit dem Ziel zu verhindern, dass durch Rechtshandlungen der Partei (Abs 1) oder des Anwalts (Abs 2) die Fortführung des Prozesses behindert wird. Obwohl die Vorschrift lediglich die Kündigung erwähnt, gilt sie nach Sinn und Zweck für jede durch rechtsgeschäftliche Erklärungen herbeigeführte Beendigung des der Vollmachtserteilung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts, mithin auch für dessen einvernehmliche Aufhebung (Rostock Beschl v 8.2.21 – 2 U 6/19, Rz 4). Aus Gründen der Rechtsklarheit wirken solche Maßnahmen im Prozess erst dann, wenn wieder für eine eindeutige Vertretung gesorgt wurde. Abs 2 dient sowohl dem Schutz der Partei, die davor bewahrt werden soll, aufgrund der Mandatsniederlegung nicht mehr vertreten zu sein, als auch dem Schutz des Anwalts, dem die Möglichkeit gegeben wird, eine Haftung nach § 671 II BGB abzuwenden (BGH NJW 75, 120, 121; MüKoZPO/Toussaint § 87 Rz 2; Musielak/Voit/Weth § 87 Rz 1). Dabei herrscht Einigkeit, dass der Begriff des Vollmachtsvertrags die gesetzlichen Grundlagen der Erteilung einer Vollmacht verfehlt (Musielak/Voit/Weth § 87 Rz 2; Zö/Althammer § 87 Rz 1). Die Vorschrift gilt auch in den Fällen der Beiordnung (§§ 78b, 78c; Anders/Gehle/Weber ZPO § 87 Rz 5 zu § 121) und sinngemäß für den Widerruf der Bestellung (BGH NJOZ 04, 1185, 1186). Für das Erlöschen der Vollmacht durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 115, 116, 117 InsO) gilt die Vorschrift nicht (BGH NJW-RR 89, 183 [BGH 11.10.1988 - X ZB 16/88]; Brandbg NJW-RR 02, 265 [OLG Brandenburg 29.09.2000 - 7 W 47/00]; zum Fortbestand der Vollmacht insoweit §§ 115 II, 117 II InsO). Auch auf den Verlust der Anwaltszulassung findet Abs 1 keine Anwendung (Köln OLGR 08, 571). Nach §§ 112, 113 I FamFG findet die Vorschrift auch in Ehesachen und Familienstreitsachen Anwendung. Für die übrigen Verfahren nach dem FamFG verweist § 11 S 5 FamFG auf § 87.

B. Wirkungen der Kündigung.

 

Rn 2

Die Wirkungen der Kündigung des Mandatsverhältnisses oder des Widerrufs der Vollmacht treten im Innenverhältnis sofort ein (§ 86 Rn 3), dieses wird nicht als fortbestehend fingiert (BGH NJW 59, 2307, 2308; 65, 1019, 1020 [BGH 05.02.1965 - V ZB 12/64]). Im Außenverhältnis treten die Wirkungen erst ein, wenn die weiteren Voraussetzungen nach Abs 1 erfüllt sind, es sei denn, die Bevollmächtigung war noch nicht mitgeteilt worden und der Bevollmächtigte war noch nicht als Vertreter aufgetreten (BGH NJW 59, 2307, 2308 [BGH 07.10.1959 - IV ZR 68/59]). Trotz des Wortlauts entspricht es allgM, dass dies auch im Verhältnis zum Gericht (BGH NJW 80, 999; VersR 85, 1185, 1186; FamRZ 04, 865; Zö/Althammer § 87 Rz 3; Musielak/Voit/Weth § 87 Rz 3) und für die Fälle des Widerrufs der Vollmacht oder der Bestellung (Bremen OLGR 06, 418, 419) und die Mandatsniederlegung durch den Anwalt (Zö/Althammer § 87 Rz 3) gilt.

I. Parteiprozess.

 

Rn 3

Zur Beendigung der Vollmacht im Außenverhältnis ist die alleinige Anzeige des Erlöschens erforderlich, der Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht. Eine besondere Form ist nicht vorgeschrieben; dies kann deshalb durch jede Art von Mitteilung durch die Partei selbst oder ihres Prozessbevollmächtigten geschehen (BGH NJW 80, 2309, 2310 [BGH 21.05.1980 - IVb ZB 567/80]), aus der sich zweifelsfrei ergibt, dass die Vollmacht erloschen ist. Unter diesen Voraussetzungen genügt auch eine stillschweigende Erklärung (Kobl NJW-RR 97, 1023 [OLG Koblenz 05.06.1996 - 14 W 288/96]). Die Anzeige ist auch dann notwendig, wenn Gericht oder Gegner bereits auf andere Weise Kenntnis erlangt haben (St/J/Jacoby § 87 Rz 9; MüKoZPO/Toussaint § 87 Rz 4; Musielak/Voit/Weth § 87 Rz 4). Wirkung erlangt die Anzeige nur ggü dem jeweiligen Empfänger der Mitteilung mit Zugang bei diesem (BGH NJW-RR 20, 1191 [BGH 18.06.2020 - I ZB 83/19] Rz 9; St/J/Jacoby § 87 Rz 10; Zö/Althammer § 87 Rz 1; Musielak/Voit/Weth § 87 Rz 4).

II. Anwaltsprozess.

 

Rn 4

Im Anwaltsprozess muss zu der Anzeige der Kündigung noch die Anzeige der Bestellung eines neuen namentlich zu bezeichnenden (BGH VersR 85, 1185, 1186) Anwalts hinzutreten, um die bisherige Prozessvollmacht im Außenverhältnis zu beenden (BGH NJW 07, 2124, 2125 [BGH 25.04.2007 - XII ZR 58/06]). Auch diese Anzeige ist formlos möglich, sie muss eindeutig sein (Köln OLGR 92, 96). Ob die schlichte Anzeige der Bestellung eines neuen Anwalts die Anzeige des Widerrufs der Vollmacht des bisherigen beinhaltet, ist wegen § 84 nicht selbstverständlich (§ 84 Rn 2), muss durch Auslegung ermittelt werden und kommt nicht in Betra...

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