Rn 14

Mit Wechsel der Berufungsinstanz von einer Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens hin zu einer bloßen Fehlerkontrolle und -beseitigung braucht das Berufungsurteil den Inhalt der Sachentscheidung nicht vollständig darzustellen, sondern kann sich auf die Darstellung derjenigen tatsächlichen Umstände beschränken, die im erstinstanzlichen Urt unrichtig oder unvollständig wiedergegeben oder in 2. Instanz neu vorgetragen sind und iÜ auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urt Bezug nehmen. Dies kann dazu führen, dass das Berufungsurteil aus sich selbst heraus nicht mehr verständlich ist, so dass im Einzelfall ein Absehen von den Abkürzungsmöglichkeiten des § 540 ratsam ist. Erforderlich ist in jedem Fall, dass aus dem Berufungsurteil ersichtlich ist, von welchem Sach- und Streitstand das Berufungsgericht ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien in der Berufung verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen (BGH MDR 17, 529 [BGH 10.01.2017 - II ZR 94/15]; MDR 13, 1360; WuM 09, 248; NJW 07, 2334 [BGH 29.03.2007 - I ZR 152/04]). Ein Berufungsurteil, das weder eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils noch eine eigene Darstellung des Sach- und Streitstands enthält, unterliegt im Revisionsverfahren grds der Aufhebung und Zurückverweisung (BGH NJW-RR 07, 524 [BGH 12.01.2007 - V ZR 268/05]; MDR 06, 1127; NJW-RR 04, 494).

 

Rn 15

Die Bezugnahme erfolgt auf die ›tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil‹ und damit nicht allein auf dessen Tatbestand, sondern auch auf in den Entscheidungsgründen enthaltene Tatsachen (BGH NJW 97, 1931). Sie ist begrifflich möglich nur auf das erstinstanzliche Vorbringen. Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils, die im Berufungsurteil nicht wiederholt und nicht in Bezug genommen werden, werden nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens (BGH NJW 10, 3372 [BGH 11.08.2010 - XII ZR 102/09]; NJW-RR 09, 340 [BGH 11.12.2008 - IX ZR 194/07]). Die in Bezug genommenen tatbestandlichen Feststellungen können im Revisionsverfahren nicht mit der Verfahrensrüge nach § 551 III 1 Nr 2 bzw mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 beseitigt werden (BGH NJW 11, 2349; WM 11, 309; NJW-RR 07, 1434; Dührsen/Richter ArbR 15, 420; 470). Wird nicht auf das erstinstanzliche Urteil insg, sondern auf einzelne Umstände verwiesen, so ist formal eine Konkretisierung erforderlich, die erkennen lässt, wegen welchen Vorbringens (nicht bloß ›die gewechselten Schriftsätze‹ oder ›das Vorbingen der Parteien‹) wohin (Blattzahl der Gerichtsakte) verwiesen wird (Brückner/Guhling DRiZ 21, 22, 23). Änderungen sind erforderlich, soweit die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen nach Auffassung des Berufungsgerichts unrichtig sind, Ergänzungen, soweit sie unvollständig sind. Stets nur durch eigene Darstellung sind die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils, Einlegung und Begründung der Berufung sowie Anträge und Vorbringen Vortrag der Parteien in 2. Instanz einzubringen. Für die Möglichkeiten zur Verweisung auf den Akteninhalt gelten die erstinstanzlichen Grundsätze (§ 313 Rn 12). Durch Bezugnahmen und eigene Feststellungen dürfen keine Widersprüche oder Unklarheiten entstehen (BGH WM 14, 123 m Anm Schnauder jurisPR-BKR 6/15 Anm 3; BGH NJW-RR 14, 381; WM 04, 894). Eine Mitteilung der Berufungsanträge ist grds unverzichtbar (BGH NJW-RR 21, 933 [BGH 15.06.2021 - VI ZR 1029/20] und 1016 [BGH 26.05.2021 - VIII ZR 93/20]; GE 21, 644; NJW 11, 2054; WuM 11, 377; NJW 10, 3372 [BGH 11.08.2010 - XII ZR 102/09]), eine wörtliche Wiedergabe indes nicht erforderlich, es genügt, dass das von der Partei verfolgte Prozessziel erkennbar wird. Sind die erstinstanzlichen Anträge dargestellt, kann die Floskel genügen, die Partei ›verfolge ihr erstinstanzliches Ziel in vollem Umfang weiter‹ (BGH NJW-RR 03, 1006, 1290 [BGH 19.02.2003 - VIII ZR 205/02]; 04, 573 [BGH 13.01.2004 - XI ZR 5/03]) oder der Einleitungssatz, sie ›begehre Abänderung und Klageabweisung‹ (BGH NJW 11, 2054 [BGH 25.05.2011 - IV ZR 59/09]). Ist der Inhalt der angefochtenen Entscheidung dargestellt, kann die Angabe genügen, dass sich die Berufung hiergegen richte (BGH MDR 17, 1116). Dass Nebenforderungen weiter verfolgt werden, ist auch ohne besondere Erwähnung zu unterstellen, eines ausdrücklichen Hinweises bedarf es nur, wenn diese fallengelassen oder abgeändert worden sind (BGH MDR 17, 1116 [BGH 19.07.2017 - VIII ZR 3/17]). Bezugnahme und eigene Darstellungen müssen in ihrer Gesamtheit den Streitgegenstand und den Umfang der Rechtskraft bestimmbar machen (BGH GRUR 08, 367) sowie eine taugliche tatsächliche Grundlage für die Revisionsinstanz bilden (BGH MDR 07, 733), also erkennen lassen, von welchem Sach- und Streitstand das Berufungsgericht ausgegangen ist und welche tatsächlichen Feststellungen es getroffen hat (BGH NJW 07, ...

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