Leitsatz (amtlich)

Zu den gem. § 540 ZPO bestehenden Mindestanforderungen an den Inhalt eines Berufungsurteils.

 

Normenkette

ZPO (2002) § 540

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 05.12.2002)

AG Hamburg-Altona (Urteil vom 27.06.2002)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 27. Zivilkammer des LG Hamburg v. 5.12.2002 aufgehoben.

Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die klagende Bank verlangt von dem Beklagten Zinszahlung aus einem Darlehen, das sie ihm 1991 zur Beteiligung an einer Immobilienfonds Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewährt hat. Der Beklagte, der bei dem Abschluss des Darlehensvertrages durch die J. GmbH (im Folgenden: Treuhänderin) vertreten worden war, beruft sich u. a. darauf, der Vertrag sei nicht wirksam zu Stande gekommen. Die Treuhänderin habe als vollmachtlose Vertreterin gehandelt, da der mit ihr zum Erwerb der Beteiligung an der Immobilienfondsgesellschaft geschlossene Treuhandvertrag nebst umfassender Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig sei.

Das AG hat die Klage durch Urt. v. 27.6.2002 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil die in der Berufungsinstanz gestellten Anträge der Parteien nicht enthält, hat im Wesentlichen ausgeführt:

Der Darlehensvertrag sei unwirksam, da der zwischen dem Beklagten und der Treuhänderin geschlossene Treuhandvertrag nebst umfassender Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig sei. Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass einer der Geschäftsführer der Treuhänderin Rechtsanwalt sei. Die Vollmacht sei der Klägerin gegenüber auch nicht aus Rechtsscheingesichtspunkten als wirksam zu behandeln. Dabei könne dahinstehen, ob der Klägerin entsprechend ihrer Behauptung die notariell beurkundete Vollmachtsurkunde vorgelegt worden sei. § 172 BGB verwehre es dem Aussteller einer Vollmachtsurkunde zwar, sich darauf zu berufen, er habe die Vollmacht nicht erteilt oder widerrufen, helfe aber nicht über rechtliche Wirksamkeitshindernisse der Erklärung selbst hinweg. Auch eine Duldungsvollmacht liege nicht vor.

II.

Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es nicht erkennen lässt, welches Ziel die Klägerin mit ihrer Berufung verfolgt hat (§§ 545 Abs. 1, 546 ZPO).

1. Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass auf das Berufungsverfahren die Zivilprozessordnung in der am 1.1.2002 geltenden Fassung anzuwenden ist, weil die mündliche Verhandlung vor dem AG nach dem 1.1.2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Demgemäß reichte für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes die nach der Neufassung des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an Stelle des Tatbestandes mögliche Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil aus.

2. Die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils kann sich jedoch nicht auf den in zweiter Instanz gestellten Berufungsantrag erstrecken. Dieser ist auch nach neuem Recht in das Berufungsurteil aufzunehmen. Enthält das Berufungsurteil - wie hier - keine wörtliche Wiedergabe des Berufungsantrags, so muss es wenigstens erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (BGH, Urt. v. 26.2.2003 - VIII ZR 262/02, MDR 2003, 765 = BGHReport 2003, 629 = NJW 2003, 1743, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; v. 7.5.2003 - VIII ZR 340/02, Umdruck S. 3; v. 6.6.2003 - V ZR 392/02, BGHReport 2003, 1128 = MDR 2003, 1170 = WM 2003, 2424 [2425]; v. 30.9.2003 - VI ZR 438/02, WM 2004, 50, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

An dieser Mindestvoraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsurteil enthält - obwohl das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat - nicht einmal den Hinweis darauf, dass die Klägerin ihren erstinstanzlichen Sachantrag unverändert weiterverfolgt (vgl. BGH, Urt. v. 26.2.2003 - VIII ZR 262/02, MDR 2003, 765 = BGHReport 2003, 629 = NJW 2003, 1743; v. 7.5.2003 - VIII ZR 340/02, Umdruck S. 4). Auch die nur wenige Zeilen umfassende Wiedergabe neuen Vorbringens der Klägerin, deren Berufungsbegründung allein 36 Seiten umfasst, ist so stark verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen, dass sie keinen hinreichenden Aufschluss gibt. Auch nach dem ab 1.1.2002 geltenden Verfahrensrecht ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, den Sachverhalt anhand der Akten selbst zu ermitteln und festzustellen (BGH, Urt. v. 30.9.2003 - VI ZR 438/02, WM 2004, 50, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

III.

Da das Berufungsurteil eine der Vorschrift des § 540 ZPO entsprechende Darstellung nicht enthält, leidet es an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel (vgl. BGH, Urt. v. 26.2.2003 - VIII ZR 262/02, MDR 2003, 765 = BGHReport 2003, 629 = NJW 2003, 1743; v. 7.5.2003 - VIII ZR 340/02, Umdruck S. 4; Urt. v. 30.9.2003 - VI ZR 438/02, WM 2004, 50, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Es ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat sich der Senat veranlasst gesehen, von der Erhebung der Gerichtskosten für das Revisionsverfahren gem. § 8 Abs. 1 S. 1 GKG abzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.1986 - IVb ZR 76/85, BGHR ZPO § 543 Abs. 2 Tatbestand, fehlender 2; v. 7.5.2003 - VIII ZR 340/02, Umdruck S. 5).

Für das weitere Verfahren vor dem Berufungsgericht weist der Senat darauf hin, dass sich das Berufungsurteil auch im Ergebnis mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung als fehlerhaft erweist. Wie der Senat - teilweise nach Erlass des Berufungsurteils - wiederholt entschieden hat, sind die §§ 171, 172 BGB auch dann anwendbar, wenn die umfassende Bevollmächtigung des Treuhänders unmittelbar gegen Art. 1 § 1 RBerG verstößt und gem. § 134 BGB nichtig ist (vgl. etwa BGH, Urt. v. 25.3.2003 - XI ZR 227/03, WM 2003, 1064 [1065 f.]; v. 14.10.2003 - XI ZR 134/02, WM 2003, 2328 [2333] m. w. N.). Für die Frage der Rechtsscheinhaftung nach § 172 Abs. 1 BGB kommt es daher entscheidend darauf an, ob der finanzierenden Bank spätestens bei Abschluss des Darlehensvertrages die die Treuhänderin als Vertreterin des Darlehensnehmers ausweisende Vollmachtsurkunde im Original bzw. bei notarieller Beurkundung in Ausfertigung vorlag (vgl. BGH, Urt: v. 3.6.2003 - XI ZR 289/02, BGHReport 2003, 1077 = MDR 2003, 1244 = WM 2003, 1710 [1711]; v. 14.10.2003 - XI ZR 134/02, WM 2003, 2328 [2333], jeweils m. w. N.). Das Berufungsgericht wird daher - sofern es erneut zu dem Ergebnis gelangt, der Treuhandvertrag verstoße gegen das Rechtsberatungsgesetz - die Frage zu klären haben, ob der Klägerin - wie sie behauptet - die Vollmacht vorlag. Sollte das nicht der Fall gewesen sein, wird das Berufungsgericht dem Vorbringen der Klägerin zur Duldungsvollmacht nachzugehen haben. Dieses kann nicht als unsubstanziiert angesehen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1111938

EBE/BGH 2004, 2

FamRZ 2004, 619

NJW-RR 2004, 573

WM 2004, 445

WuB 2004, 417

MDR 2004, 704

BKR 2004, 151

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