Rn 1

Die Vorschrift ist Teil des berufungsrechtlichen Präklusionsrechts (dazu § 530 Rn 2). Erstinstanzlich verspätet vorgetragene und deswegen zu Recht zurückgewiesene Tatsachen bleiben nach Abs 1 auch zweitinstanzlich ausgeschlossen. Neue, erstinstanzlich gar nicht vorgetragene Tatsachen können in der Berufung nur unter den Voraussetzungen des Abs 2 berücksichtigt werden. Beide Absätze stellen die Einhaltung der Prozessförderungspflicht durch die Parteien sicher, indem diese angehalten werden, ihren Vortrag rechtzeitig in 1. Instanz zu bringen und ihn nicht für die 2. Instanz aufsparen (keine ›Flucht in die Berufung‹). Dass erstinstanzlich – wenn auch verspätet – vorgetragene Tatsachen zwingend ausgeschlossen sind, während erstinstanzlich gar nicht vorgetragene Tatsachen – unter den Voraussetzungen des § 531 II – zugelassen werden können, ist in sich nicht schlüssig, aber nicht verfassungswidrig (BVerfG NJW 81, 271; VerfGH Bay BauR 13, 1737).

 

Rn 2

Die Vorschrift erfasst den Vortrag beider Parteien (Berufungskläger und Berufungsbeklagter) in der Berufung und der Anschlussberufung, auch bei einer Entscheidung im Beschlussweg (§ 522; BGH NJW 17, 736 [BGH 14.07.2016 - V ZR 258/15]) und nach Zurückverweisung aus der Revisionsinstanz (BGH NJW 04, 2382 [BGH 02.04.2004 - V ZR 107/03]). Sie gilt in allen Berufungsverfahren, auch im WEG-Verfahren. Trotz grundsätzlicher Geltung auch in zweitinstanzlichen Eilverfahren (Stürner IPrax 04, 513) ist hier eine zurückhaltende Anwendung sinnvoll (Hamm VersR 08, 1118). Im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren ist gem § 67 ArbGG, in Ehe- und Familienstreitsachen gem §§ 65 III, 115 FamFG der Vortrag neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel in deutlich weiterem Umfang möglich.

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