Rn 6

Die Streitfrage, ob eine juristische Person prozessfähig ist oder nicht (bejahend BGHZ 121, 263, 265 f = NJW 93, 1654; verneinend BGHZ 38, 71, 75 = NJW 63, 441; St/J/Bork Rz 12), kann dahin stehen, weil die Organe juristischer Personen die Rechtsstellung eines gesetzlichen Vertreters prozessunfähiger natürlicher Personen haben. Soweit die ZPO prozessuale Rechte und Pflichten für gesetzliche Vertreter schafft, gilt dies auch für die Organvertreter juristischer Personen. Der Mangel organschaftlicher Vertretung entspricht einem Mangel der gesetzlichen Vertretungsmacht.

1. Juristische Personen des Öffentlichen Rechts.

 

Rn 7

Die Vertretung von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des Öffentlichen Rechts richtet sich nach den jeweiligen Organisationsvorschriften (GemO NRW: BGH NJW 1995, 3389 [BGH 06.07.1995 - III ZR 176/94]; umfassender Überblick bei Wieczorek/Schütze/Buchholz/Loeser Vor § 50 Rz 473). Kommunale Eigenbetriebe werden mitunter durch den Werkleiter und den Bürgermeister als Gesamtvertretungsberechtigte vertreten (BGHZ 164, 166, 171). Nach den einschlägigen Bestimmungen beurteilt sich auch, ob interne Mitwirkungsbefugnisse anderer Stellen bloße Binnenwirkung (vgl BGHZ 92, 164, 169: Mitwirkung des Gemeinderats) haben oder mit Außenwirkung die Vertretungsmacht beschränken (vgl BGHZ 157, 168, 172: Genehmigung durch Rechtsaufsichtsbehörde). Eine Sparkasse wird gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern durch den Verwaltungsrat vertreten. Dies gilt auch für die Vertretung gegenüber einem ausgeschiedenen stellvertretenden Vorstandsmitglied, das lediglich dem Vorstand einer auf eine Sparkasse verschmolzenen früheren Sparkasse angehört hat (BGH NJW 19, 2473 [BGH 30.04.2019 - II ZR 317/17]). Unsicherheiten über die Vertretungszuständigkeit kann durch Auskunftsverlangen abgeholfen werden.

2. Juristische Personen des Privatrechts.

a) Werbende Tätigkeit.

 

Rn 8

Die AG wird grds – auch bei Klagen einzelner Aufsichtsratsmitglieder (§§ 246 II 3, 249 I; BGHZ 122, 342, 344f) – durch den Vorstand (§ 78 I AktG), ggf einen Notvorstand (§ 85 AktG), vertreten. Erheben Aktionäre Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage, wird die Gesellschaft durch Vorstand und Aufsichtsrat in Gesamtvertretung vertreten (§§ 246 II 2, 249 I, 275 IV AktG). In Prozessen gegenwärtiger oder früherer Vorstandsmitglieder einschließlich ihrer (Versorgungsbezüge verlangender) Witwen wird die Gesellschaft – gleich ob die Organstellung oder das Dienstverhältnis betroffen ist – durch den Aufsichtsrat vertreten (§ 112 AktG; BGH BGHR 07, 16; DB 13, 1405 Rz 22; BGHZ 157, 151, 153 ff = NJW 04, 1528; BGHZ 103, 213, 216 f = NJW 88, 1384; BGH NJW 97, 2324; BAG NJW 02, 1444). Die Vertretung der Aktiengesellschaft im Rechtsstreit mit dem Vorstand ist dem Aufsichtsrat als Gremium zugewiesen, das seinen Willen dadurch bildet, dass es einen Beschluss fasst. Dieser Vorgang einheitlicher Willensbildung kann nicht durch die Entscheidung eines Aufsichtsratsmitglieds oder des Aufsichtsratsvorsitzenden ersetzt werden. Erteilt der Aufsichtsratsvorsitzende im Rechtsstreit mit dem Vorstand eine Prozessvollmacht, ohne zuvor die Einwilligung des Aufsichtsrats eingeholt zu haben, kann der Aufsichtsrat diese Handlung und die bisherige Prozessführung durch Mehrheitsbeschluss genehmigen (BGH DB 13, 1405 Rz 22f). Diese Vertretungsregel gilt auch im Prozess des ehemaligen Geschäftsführers einer mit einer AG verschmolzenen GmbH (BGHZ 157, 151, 153 ff = NJW 04, 1528). Eine KGaA wird durch die persönlich haftenden Gesellschafter vertreten (§§ 278 II AktG, 125, 161 II, 170 HGB). In einem Rechtsstreit mit den Komplementären wird die KGaA durch den Aufsichtsrat (BGH MDR 05, 583 [BGH 29.11.2004 - II ZR 364/02]) bzw von der Hauptversammlung bestellte Vertreter vertreten (§ 287 II 1 AktG). Die GmbH wird durch ihre Geschäftsführer (§ 35 I GmbHG), ggf einen Notgeschäftsführer (analog §§ 29 BGB, 85 AktG; BayObLG NJW 81, 995f), vertreten. Legt der einzige Geschäftsführer einer GmbH sein Amt nieder, ist, auch wenn die Klage nach Eintritt der Führungslosigkeit wirksam einem Gesellschafter zugestellt wurde, eine gegen die Gesellschaft gerichtete Klage mangels gesetzlicher Vertretung unzulässig. Hier bedarf es der Bestellung eines Prozesspflegers (§ 57) oder eines Notgeschäftsführers (§ 29 BGB; BGH RR 11, 115 Rz 12, 13, 19). Ist ein (fakultativer) Aufsichtsrat eingerichtet (§ 52 GmbHG), vertritt er die GmbH im Rechtstreit mit einem (auch ausgeschiedenen) Geschäftsführer (BGH MDR 04, 284); ist kein Aufsichtsrat vorhanden und auch kein besonderer Vertreter bestellt (§ 46 Nr 8 GmbHG) worden, kommt es zu der misslichen Situation, dass die Gesellschaft in einem solchen Verfahren von dem verbliebenen Geschäftsführer vertreten wird (BGH NJW-RR 92, 993 [BGH 24.02.1992 - II ZR 79/91]). Hat der einzige Geschäftsführer sein Amt niedergelegt, wird eine GmbH ungeachtet § 35 Abs 1 S 2 GmbHG prozessunfähig (BGH DB 10, 2719 Rz 12 ff). Fehlt nach Abberufung oder Amtsniederlegung ein vertretungsberechtigter Geschäftsführer und bestellen die Gesellschafter keinen neuen, bleibt dem Kl, falls nicht wegen Gefahr im Verzuge § 57 eingreift...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge