Leitsatz (amtlich)

›Zur Vertretungsbefugnis des Leiters einer Städtischen Galerie zum Abschluß eines "Ausstellungsvertrages" mit bildenden Künstlern.‹

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf

LG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Kläger sind bildende Künstler, die ihren Lebensunterhalt aus dem Verkauf ihrer Werke bestreiten. Sie führten im September und Oktober 1991 mit der Leiterin der Städtischen Galerie der Beklagten, der Zeugin Dr. K., Gespräche über eine Ausstellung ihrer Werke in der Zeit vom 19. September bis 1. November 1992. Schon im Juni 1991 hatte der Kulturausschuß des Rates der Beklagten die Planung von Frau Dr. K. für das Jahr 1992, in der das Ausstellungsvorhaben mit den Klägern bereits berücksichtigt worden war, zustimmend zur Kenntnis genommen. Die Ausstellung kam nicht zustande, weil auf Beschluß des Rates der Beklagten die Städtische Galerie im Juli 1992 geschlossen wurde.

Die Kläger verlangen Ersatz des ihnen durch die Absage der Ausstellung entstandenen Schadens (entgangener Verkaufserlös). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht durch Grundurteil ausgesprochen, daß die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet ist, weil sie ihre vertragliche Verpflichtung zur Durchführung der Ausstellung nicht erfüllt habe. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht geht unter besonderer Berücksichtigung der Parteiinteressen und unter Hinweis auf die erstinstanzliche Aussage der Zeugin Dr. K. davon aus, daß die Zeugin in ihrer Eigenschaft als Leiterin der Städtischen Galerie für die Beklagte und mit deren Vollmacht einen Vertrag über die Durchführung der Ausstellung geschlossen hat. Dieser Vertrag sei bereits aufgrund der im September und Oktober 1991 geführten Gespräche zustandegekommen; danach hätten es die Beteiligten für selbstverständlich erachtet, daß die Ausstellung wie vorgesehen in der Zeit vom 19. September bis 1. November 1992 stattfinden werde. Mit ihrer Absage vom 5. Mai 1992 habe die Beklagte die übernommene vertragliche Verpflichtung zur Ausstellung der klägerischen Werke in der Städtischen Galerie verletzt; sie hafte den Klägern auf Ersatz des Schadens, der ihnen aus der Nichterfüllung des "Ausstellungsvertrages" entstanden ist.

Dies hält der revisionsrechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Unstreitig sollte bei Durchführung der Ausstellung weder von seiten der Beklagten - als Gegenleistung für die zeitweise Überlassung der Bilder - noch von seiten der Kläger - als Gegenleistung für die Organisation der Ausstellung - ein Entgelt gezahlt werden. Gleichwohl ist dem Berufungsgericht im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, daß die Übereinkunft, eine Ausstellung mit Werken der Kläger in der Galerie der Beklagten durchzuführen, als Rechtsgeschäft und nicht als bloßes Gefälligkeitsverhältnis einzustufen ist.

Ob der für das Vorliegen eines Rechtsgeschäfts notwendige Rechtsbindungswille vorhanden ist, richtet sich nicht nach dem nicht in Erscheinung getretenen inneren Willen, sondern danach, ob der jeweils andere Teil unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen mußte. Maßgeblich hierbei sind vor allem die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit und die Interessenlage der Parteien (vgl. Senatsurteile BGHZ 88, 373, 382 und 92, 164, 168 sowie v. 14. November 1991 - III ZR 4/91 - NJW 1992, 498).

Das Berufungsgericht führt hierzu aus: Die Frage, wann und wo Künstler ihre Werke in Ausstellungen einer interessierten Öffentlichkeit präsentieren können, sei generell sehr bedeutsam hinsichtlich des Bekanntheitsgrades, des Ansehens und der Verkaufschancen ihrer Werke. Dementsprechend würden auch die Kläger mit einer Überlassung ihrer Werke eigene künstlerische und wirtschaftliche Interessen verfolgen. Diesem Interesse habe die Beklagte Rechnung tragen wollen. Denn sie habe mit den Ausstellungsvorhaben nicht nur zur Bildung und Erbauung ihrer Einwohner beitragen, sondern auch dem kulturpolitischen Anliegen der Künstlerförderung dienen wollen. Die Beklagte wiederum hätte die Ausstellung in das Programm der Städtischen Galerie aufnehmen und durch Drucken von Unterlagen, Werbemaßnahmen etc. längerfristig vorbereiten müssen. Angesichts dieser Interessenlage hätten sich beide Seiten darauf verlassen müssen, daß gegebene Zusagen auch eingehalten werden.

Diese Würdigung der Interessenlage, die von der Revision nicht angegriffen wird, läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Sie trägt die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts, daß sich die Beziehungen der Parteien nicht im außerrechtlichen Bereich bewegen sollten.

2. Das Berufungsgericht ist weiter der Auffassung, daß sich die rechtlichen Beziehungen der Parteien nicht mit dem Abschluß eines Leihvertrages (§ 598 BGB) über die Bilder hätten erschöpfen sollen (vgl. aber OLG Düsseldorf, NJW 1990, 2000, 2001; BVerwG, MDR 1976, 874).

Allerdings hat die Beklagte (Kulturamt) regelmäßig kurz vor Ausstellungsbeginn mit den jeweiligen Künstlern schriftliche Leihverträge geschlossen. Ein solcher Vertrag kam mit den Klägern nicht (mehr) zustande, weil die Ausstellung schon lange Zeit vor dem geplanten Beginn abgesagt worden war. Gleichwohl steht dieser Umstand nach Meinung des Berufungsgerichts der Annahme einer (früheren) vertraglichen Bindung nicht entgegen. Da die Kläger ihre sonstigen Projekte auf das Ausstellungsvorhaben mit der Beklagten hätten abstimmen müssen und die Organisation der Ausstellung seitens der Beklagten einer längeren Vorbereitungszeit bedurft hätte, stünde es im Widerspruch zu den Interessen beider Parteien, wenn eine rechtlich verbindliche Abrede erst wenige Tage vor Ausstellungsbeginn zustandegekommen wäre. Außerdem sehe das gesetzliche Leitbild der Leihe eine Gebrauchspflicht des Entleihers nicht vor. Mit der Annahme einer bloßen Leihe würde daher das Interesse der Kläger daran, daß ihre Bilder einem (kauf-)interessierten Publikum tatsächlich auch gezeigt werden, außer acht gelassen. Deshalb hätte der (unterbliebene) Abschluß eines schriftlichen "Leihvertrages" kurz vor Ausstellungsbeginn eine vertragliche Bindung nicht erst begründen, sondern eine lange vorher durch Abschluß eines "Ausstellungsvertrages" eingetretene Bindung lediglich (durch Konkretisierung der einzelnen Ausstellungsstücke) "ausfüllen" sollen.

Auch insoweit begegnen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Interessenlage der Parteien keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Revision zeigt solche ebenfalls nicht auf.

3. Bei dieser Sachlage durfte das Berufungsgericht ohne Gesetzesverstoß davon ausgehen, daß den im September und Oktober 1991 geführten Gesprächen zwischen den Klägern und der Zeugin Dr. K. über die Durchführung der Ausstellung verpflichtende Wirkung zukommen sollte. Einer nochmaligen Vernehmung der vom Landgericht gehörten Zeugen bedurfte es dabei nicht. Der Senat hat die diesbezüglich von der Revision erhobene Verfahrensrüge geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 565 a ZPO).

Unbeschadet der näheren rechtlichen Einordnung eines solchen "Ausstellungsvertrages" (nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich um einen Vertrag eigener Art; vgl. auch zur Qualifizierung eines Ausstellungsvertrags mit einem gewerblichen Galeristen Locher, Das Recht der bildenden Kunst; 1970, S. 121: Gemischter Vertrag mit Geschäftsbesorgungs- und Mietvertragscharakter) geht das Berufungsgericht rechtsbedenkenfrei weiter davon aus, daß es den Parteien dieses Vertrags verwehrt sein sollte, sich jederzeit von dem Vertrag wieder zu lösen. Daraus ergibt sich freilich noch nicht ohne weiteres, daß die Bindungswirkung dieses Vertrags so weit reicht, den Klägern auch für den Fall einer Schließung der Städtischen Galerie den vom Berufungsgericht bejahten Anspruch auf Ersatz des vollen Nichterfüllungsschadens (entgangener Verkaufserlös) zuzuerkennen. Diese Frage braucht jedoch an dieser Stelle (vgl. hierzu die Ausführungen unter IV) nicht vertieft zu werden. Denn ein die Beklagte verpflichtender "Ausstellungsvertrag" kann - wie die Revision zu Recht rügt - schon deshalb nicht angenommen werden, weil die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht den Schluß zulassen, die für die Beklagte handelnde Zeugin Dr. K. hätte ausreichende Vollmacht zum Abschluß eines derartigen Vertrages gehabt.

4. Nach § 56 Abs. 1 und 4 GO NW bedürfen Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, der Schriftform. Sie sind vom Gemeindedirektor oder seinem Stellvertreter und einem vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten zu unterzeichnen, soweit nicht das Gesetz etwas anderes bestimmt. Erklärungen, die dieser Form nicht genügen, binden die Gemeinde nicht.

Das Berufungsgericht führt aus, daß die Zeugin Dr. K. als Leiterin der Städtischen Galerie die Aufgabe gehabt habe, die Ausstellungsverträge mit den Künstlern abzuschließen. Zwar sei sie nicht bevollmächtigt gewesen, "finanzielle Verpflichtungen" einzugehen, mithin Erklärungen abzugeben, aus denen sich unmittelbare Zahlungspflichten für die Beklagte ergeben hätten. Außer ihr sei aber niemand sonst, insbesondere auch nicht der Leiter des Schul- und Kulturamts der Beklagten, der Zeuge D., ersichtlich, der diese Verträge mit den Künstlern hätte abschließen sollen.

Diese Ausführungen sind wohl so zu verstehen, daß nach Auffassung des Berufungsgerichts die Zeugin Dr. K. eine zum Abschluß eines "Ausstellungsvertrages" vertretungsberechtigte Person gewesen sei (vgl. § 51 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 S. 2 GO NW; siehe auch von Loebell, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl., § 56 Anm. 6). Dessen ungeachtet entsprachen ihre Erklärungen - wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat - nicht den gesetzlichen Erfordernissen. Die Schriftform war nicht eingehalten. Auch von seiten des Gemeindedirektors oder seines Stellvertreters liegen keine schriftlichen Erklärungen vor, auch nicht in Form einer vorherigen Ermächtigung oder einer nachträglichen Genehmigung (vgl. hierzu Senatsurteil v. 13. Oktober 1983 - III ZR 158/82 - NJW 1984, 606).

Das Berufungsgericht meint, sich über diese Mängel in der Vertretungsmacht unter Anwendung der Grundsätze über die Duldungsvollmacht hinwegsetzen zu können: Die Kläger hätten den Eindruck gewinnen können, daß die Zeugin Dr. K., die mit ihnen für die Beklagte die Ausstellung abgesprochen habe, als Galerieleiterin dazu auch bevollmächtigt gewesen sei. Dem Stadtdirektor der Beklagten und auch weiteren vertretungsberechtigten Beamten hätte das Vertretungshandeln der Galerieleiterin - bis auf einen Ausnahmefall seien alle von der Zeugin Dr. K. organisierten Ausstellungen aufgrund mündlicher Absprachen mit den Künstlern durchgeführt worden - nicht verborgen geblieben sein können. Gleichwohl seien sie dagegen nicht eingeschritten.

Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Zwar finden die für die Rechtsfiguren der Duldungs- und Anscheinsvollmacht entwickelten Grundsätze auch gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts Anwendung, wenn deren vertretungsberechtigte Organe das Vertreterhandeln eines Dritten geduldet oder nicht verhindert haben. Diese Grundsätze dürfen aber, was das Berufungsgericht vorliegend verkannt hat, nicht dazu dienen, den im öffentlichen Interesse des Schutzes der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und ihrer Mitglieder bestehenden Vertretungsregeln im Einzelfall jede Wirkung zu nehmen. Wenn daher die Vertretungsmacht von Gesetzes wegen an die Beachtung gewisser Förmlichkeiten gebunden ist, so können nicht die Regeln der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht einer Verpflichtungserklärung, bei der diese Förmlichkeiten - wie hier - erkennbar mißachtet worden sind, trotzdem bindende Wirkung zulegen (Senat in BGHZ 92, 164, 174 sowie das - vom Berufungsgericht zwar zitierte aber ersichtlich mißverstandene - Senatsurteil v. 13. Oktober 1983 aaO., S. 607).

II. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 563 ZPO).

1. Das Berufungsgericht stellt nicht fest, daß die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestands erfüllt sind, wonach vorliegend die Form des § 56 Abs. 1 GO NW nicht hätte eingehalten werden müssen. Ein solcher Ausnahmetatbestand ist in § 56 Abs. 3 (der Handelnde ist für ein bestimmtes Geschäft oder einen Kreis von Geschäften ausdrücklich bevollmächtigt, wobei die Vollmacht in der Form des Absatzes 1 erteilt sein muß) und - was hier insbesondere in Frage kommt (vgl. die Ausführungen unter IV) - des Absatzes 2 (einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung) GO NW enthalten.

2. Im Hinblick auf die Schutzfunktion, der den Formvorschriften der Gemeindeordnungen zukommt, können die Vertragspartner der Gemeinde in aller Regel auch nicht unter Berufung auf § 242 BGB verlangen, so gestellt zu werden, als seien die für die Gemeinde abgegebenen Erklärungen trotz der Vertretungsmängel wirksam. Nur unter besonderen Umständen verstößt daher eine Gemeinde gegen den Grundsatz der unzulässigen Rechtsausübung, wenn sie die Unwirksamkeit des Vertreterhandelns geltend macht (vgl. zuletzt BGH, Urteil v. 20. Januar 1994 - VII ZR 174/92 - WM 1994, 551, 552).

Ein derartiger Ausnahmefall kommt einmal in Betracht, wenn die Nichtigkeitsfolgen für den Vertragsgegner zu schlechthin unerträglichen Ergebnissen führen und ein notwendiger Ausgleich mit anderen rechtlichen Mitteln nicht zu erzielen ist (vgl. Senatsurteile v. 13. Oktober 1983 aaO. und v. 16. November 1978 - III ZR 81/77 - NJW 1980, 117, 118). Daß ein solcher Fall hier gegeben sein könnte, ist nicht ersichtlich.

Zum anderen kann es einer Gemeinde nach § 242 BGB verwehrt sein, sich auf eine Verletzung der gesetzlichen Formvorschrift zu berufen, wenn das nach der Gemeindeordnung für die Willensbildung zuständige Organ der öffentlich-rechtlichen Körperschaft den Abschluß des Verpflichtungsgeschäfts gebilligt hat (Senat in BGHZ 92, 164, 174 und Urteil v. 22. Juni 1989 aaO., S. 408 f.; BGH, Urteil v. 20. Januar 1994 aaO.). Daß der Rat der Beklagten dem Abschluß von "Ausstellungsverträgen" zugestimmt hat, ist nicht festgestellt. Welcher Sinngehalt der "zustimmenden Kenntnisnahme" des Kulturausschusses des Rates von der "Planung" der Leiterin der Städtischen Galerie für das Jahr 1992 zukommt, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Eine Zustimmung des Kulturausschusses könnte allenfalls dann einer Zustimmung des Rates im Sinne der genannten Rechtsprechung gleichgesetzt werden, wenn der Rat dem Ausschuß die abschließende Entscheidungskompetenz zugewiesen hätte (vgl. § 28 Abs. 2 S. 1 GO NW). Auch hierzu fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts.

III. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese zur Endentscheidung nicht reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Zwar können die Kläger auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keinen Ersatz des Nichterfüllungsschadens verlangen. Das schließt jedoch die Zuerkennung eines Anspruchs auf Ersatz des Vertrauensschadens unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß nicht aus (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 11. Juni 1992 - VII ZR 110/91 - WM 1992, 1993, 1994 f.; Senatsurteile BGHZ 92, 164, 175 und v. 13. Oktober 1983 aaO., S. 607). Einen solchen Anspruch haben die Kläger hilfsweise geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat sich, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, mit diesem Anspruch nicht befaßt. Dies ist nachzuholen.

IV. Der Rechtsstreit ist somit an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird dabei nicht nur bzw. erst das Bestehen eines Anspruchs wegen Verschuldens bei Vertragsschluß zu prüfen haben. Es erhält vielmehr Gelegenheit, der Frage eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs nochmals nachzugehen. Dabei wird insbesondere auf das Vorliegen eines einfachen Geschäfts der laufenden Verwaltung und die Reichweite der Bindungswirkung der getroffenen Absprachen näher einzugehen sein.

Einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung, für die nach § 56 Abs. 2 GO NW die Formvorschrift des Absatzes 1 nicht gilt, sind Geschäfte, die ihrer Natur nach im gewöhnlichen Betriebsablauf regelmäßig wiederkehren, oder Maßnahmen, die in ihrem Umfang und in ihrer finanziellen Tragweite von sachlich weniger erheblicher Bedeutung sind (vgl. Senat in BGHZ 92, 164, 173 und Urt. v. 22. Juni 1989 - III ZR 100/87 - WM 1990, 407, 408). Zwar hat der Senat entschieden, daß eine Beschlußfassung des Rates über das in Rede stehende Rechtsgeschäft für sich allein schon gegen die Annahme eines solchen einfachen Geschäfts spricht (Senatsurteil v. 22. Juni 1989 aaO.). Einer solchen Beschlußfassung kann aber die hier vorliegende - ersichtlich in erster Linie der bloßen Information dienende - Beteiligung des Kulturausschusses bei der Planung für das Jahr 1992 nicht ohne weiteres gleichgestellt werden.

Was die finanzielle Tragweite des konkreten Geschäfts betrifft, so kann diese nicht schon deshalb in Abrede gestellt oder für vernachlässigenswert gering eingeschätzt werden, weil bei planmäßiger Durchführung der Ausstellung der Beklagten keinerlei Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Klägern entstanden wären. Auch die Übernahme eines beträchtlichen Haftungsrisikos für den Fall einer Leistungsstörung kann dafür sprechen, daß kein einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung mehr vorliegt. In diesem Zusammenhang erlangt der - wie ausgeführt dem rechtsgeschäftlichen Charakter etwaiger Übereinkünfte als solcher nicht entgegenstehende - Umstand Bedeutung, daß die Beklagte bei einer Durchführung der Ausstellung im Interesse der Künstlerförderung bereit gewesen wäre, nicht unbeträchtliche Kosten (Kataloge, Werbung, Einladung etc.) zu übernehmen, ohne hierfür von den Klägern ein Entgelt zu verlangen. Bei diesem weitgehenden finanziellen Entgegenkommen, das kommunale "Veranstalter" gerade für (noch) nicht so bekannte Künstler gegenüber gewerblichen Galeristen interessant macht, durften die Kläger billigerweise nicht erwarten, daß die Beklagte in jedem Falle auf ein Kündigungsrecht - auch auf ein solches aus wichtigem Grunde - verzichten bzw. bei jedem in ihrer Sphäre liegenden Scheitern der Ausstellung das volle Haftungsrisiko übernehmen würde. Bestanden daher einerseits für die Schließung der Städtischen Galerie - etwa aufgrund der Finanzlage der Beklagten - vernünftige Gründe und erfolgte die darauf gegründete Absage andererseits so frühzeitig, daß den Klägern ein Umdisponieren - etwa in das von der Beklagten als Alternative angebotene Städtische Kulturzentrum T.-M. - möglich und zumutbar war, so erscheint die vom Berufungsgericht bejahte Pflicht der Beklagten, den Klägern den entgangenen Verkaufserlös zu ersetzen, wenig interessengerecht.

Ergibt die erneute Überprüfung durch das Berufungsgericht, daß die Beklagte anläßlich der Schließung der Städtischen Galerie einen wirksam geschlossenen "Ausstellungsvertrag" hätte kündigen bzw. die Kläger auf die Alternativlösung "T.-M." verweisen können, kommt im übrigen auch kein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluß in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993347

NJW 1995, 3389

BGHR BGB § 167 Gemeinde 2

BGHR BGB § 167 Gemeinde 3

BGHR BGB § 305 Ausstellungsvertrag 1

BGHR NW GO § 56 Abs. 2 Ausstellungsvertrag 1

BGHR NW GO § 56 Duldungsvollmacht 1

BGHR NW GO § 56 Rechtsausübung, unzulässige 1

NVwZ 1996, 206

GRUR 1995, 769

WM 1995, 1856

DVBl 1996, 371

MDR 1995, 1079

DVBl. 1996, 371

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