Rn 16

Auch das aktuelle Verhalten des SV iRv Ermittlungen oder Untersuchungen kann Anlass zu Zweifeln an seiner Unparteilichkeit geben. Von besonderer Relevanz sind Kontakte zu den Parteien oder zu in deren Lager stehenden Personen, zB zu Angestellten (vgl Hamm MDR 73, 144) oder Geschäftspartnern (Köln MDR 11, 507; Frankf MDR 10, 652 [OLG Düsseldorf 10.02.2010 - I-15 U 276/09]). Auch der Kontakt zum Gericht unter Ausschluss der Parteien kann zur Besorgnis der Befangenheit führen (vgl etwa Nürnbg MDR 21, 902 [OLG Nürnberg 09.04.2021 - 13 W 3783/20]: Bitte um Ergebnisvorgabe durch Gericht). Einseitiger Kontakt des SV mit einer Partei führt in aller Regel zum Verdacht der Parteilichkeit. Stattdessen ist auf eine gleichmäßige, ggf ausgleichende Information der Parteien zu achten (Offenlegung ggü dem Gericht und im Gutachten kann genügen, Brandbg MedR 03, 509; krit Köln MDR 11, 507, 508 [OLG Hamm 13.12.2010 - I-31 U 99/07]). Eine Ablehnung tragen kann etwa die Durchführung einer Orts- und Sachbesichtigung in Anwesenheit nur einer Partei, wenn der anderen keine Gelegenheit zur Teilnahme gegeben wurde (§ 357, Grundsatz der Parteiöffentlichkeit; BGH NJW 75, 1363; Karlsr MDR 10, 1148; NJW 19, 1691; Kobl VersR 10, 647, 648; Saarbr MDR 11, 1315, 1316; 14, 180; zur erforderlichen Einzelfallbetrachtung Braunschw MDR 17, 172). Ebenso die Weigerung, zu einem gemeinsamen Ortstermin den sachkundigen Berater einer Partei zuzulassen (Ddorf MDR 79, 409; zu medizinischen oder psychologischen Untersuchungen aber Hamm NJW 15, 1461 [OLG Hamm 03.02.2015 - 14 UF 135/14]: Anwesenheitsrecht, dessen Verweigerung wegen unklarer Rechtslage jedoch keinen Ablehnungsgrund darstellt; s.a. Köln MedR 10, 879 [OLG Köln 30.10.2009 - 5 U 112/08]). Keine Besorgnis der Befangenheit besteht jedoch im Allg, wenn der SV die Hinzuziehung beider Parteien für entbehrlich erachtet (zB zur Ortsbesichtigung Bremen BauR 12, 843 – LS; KG BauR 11, 1217 – red LS; Stuttg NZV 96, 323: vorbereitende Besichtigung des Unfallorts mit sachbearbeitendem Polizeibeamten; Kobl OLGZ 77, 109: Einzeltermin bei langfristigen Reihenuntersuchungen; Saarbr JurBüro 98, 499: gerichtlich genehmigte Messung von Lärmbeeinträchtigungen; vgl auch Köln BauR 02, 1284: Hinweis an anwesende Partei, dass eine Gefährdung besteht, hier Standsicherheit eines Gebäudes). Auch einseitige Gespräche, Anrufe oder Schreiben, die nicht nur Formalien wie etwa Terminabsprachen sind, sondern die Sache selbst betreffen, legen Befangenheit nahe (Dresd VersR 07, 86; Hamm MDR 73, 144; großzügiger Ddorf NJW-RR 86, 740; s aber auch Ddorf BB 72, 1248 zum Gutachterausschuss nach §§ 192 ff BauGB, dazu Rn 4; zulässig bzgl Kostenvorschuss Frankf FamRZ 89, 410). Auch die Mitnahme des SV im Kfz einer Partei (Karlsr Justiz 80, 79) sowie eine nicht offengelegte Beschaffung von Unterlagen oder Material für das Gutachten oder des Untersuchungsgutes bei einer Partei begründen Befangenheit (Stuttg MDR 14, 560; 11, 190; Kobl VersR 13, 1196). Kein Parteilichkeitsverdacht besteht aber bei Bitte um Übersendung eines Arztberichts (Zweibr NJW-RR 01, 1149), bei beidseitiger Unterlagenanforderung und Mitteilung im Gutachten (Köln BauR 02, 1284) oder einseitiger Überbringung des Beweisstücks in Gegenwart des Gegners (Hambg MDR 86, 153). Die Nichtwahrnehmung eines vereinbarten Ortstermins kann die Befangenheit begründen, wenn dies allein aufgrund der Erklärungen einer Partei und ohne Rücksicht auf drohende Beweisvereitelung erfolgt (AG Kassel WuM 93, 415). Einschränkungen ergeben sich durch die Betroffenheit von Persönlichkeitsrechten (grds nicht für Geschäftsgeheimnisse s § 404a Rn 12, § 407a Rn 13). So gebietet der Schutz der Privat- oder Intimsphäre bei körperlichen Untersuchungen regelmäßig die Abwesenheit Dritter (München GesR 15, 634; Frankf MDR 10, 652; München VersR 06, 1709; Hamm MedR 04, 60; Köln NJW 92, 1568 f; auch bei zahnärztlichen Untersuchungen Brandbg MedR 03, 509; anders Frankf GesR 11, 295; zur Beiziehung von Krankenunterlagen Brandbg MedR 03, 509; Zweibr NJW-RR 01, 1149; zur Befangenheit wegen Verweigerung der Anwesenheit einer Begleitperson bei der Untersuchung Karlsr MedR 19, 154 [OLG Karlsruhe 25.04.2018 - 9 W 3/18] m Anm Frahm). Sämtliche Informationen, die das Gericht erhält, sollten grds auch die Parteien bekommen und auch kein anderer Eindruck erweckt werden (zB durch Besprechung mit dem SV im Beratungszimmer zur Vorbereitung eines Vergleichsvorschlags, vgl St/J/Berger § 406 Rz 38; abw Stuttg NJW-RR 96, 1469). Zur Bestimmung durch das Gericht s § 404a IV.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge