Gesetzestext

 

(1) Der Zeuge ist zu veranlassen, dasjenige, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben.

(2) Zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage sowie zur Erforschung des Grundes, auf dem die Wissenschaft des Zeugen beruht, sind nötigenfalls weitere Fragen zu stellen.

(3) Der Vorsitzende hat jedem Mitglied des Gerichts auf Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen.

A. Zweck der Norm.

 

Rn 1

§ 396 regelt, gemeinsam mit § 397, den Ablauf der Vernehmung zur Sache: Zunächst soll der Zeuge ungestört und unbeeinflusst seine Sicht der Dinge angeben (§ 396 I). Anschließend stellen – in dieser Reihenfolge – der Vorsitzende (§ 396 II), die weiteren Richter (§ 396 III), sowie die Anwälte und Parteien ihre Fragen, letztere direkt oder durch Vermittlung des Vorsitzenden (§ 397 II).

B. Aussage ›im Zusammenhang‹.

 

Rn 2

Anders als etwa die §§ 394 und 395 ist § 396 keine bloße Ordnungsvorschrift, sondern eine einzuhaltende Verfahrensregel (Kobl NJW-RR 91, 1471; BGH NJW 61, 2168 [BGH 05.07.1961 - 2 StR 157/61]), deren Verletzung freilich geheilt werden kann gem § 295 (BGH NJW 06, 830, 833 [BGH 24.01.2006 - XI ZR 384/03]). Zweck der Vorschrift ist es, eine ungestörte, unbeeinflusste und somit unbefangene Darstellung durch den Zeugen zu erlangen. Mögen auch manche Zeugen, insb wenn es sich um wenig redegewandte Personen handelt, Schwierigkeiten haben, in eine Aussage ›hineinzufinden‹, und deshalb für den Einstieg der Hilfe des Vorsitzenden bedürfen, so hat das Gericht doch gerade in diesem frühen Stadium der Vernehmung besonders darauf zu achten, den Zeugen nichts in den Mund zu legen.

C. Schriftliche Aussagen und Aufzeichnungen.

 

Rn 3

Die Aussage hat mündlich, nicht etwa schriftlich durch Übergabe eines Schriftstücks durch den Zeugen in der Sitzung zu erfolgen. Gleichwohl ist es dem Zeugen gestattet (vgl § 378), Schriftstücke zur Vernehmung mitzubringen. Hieraus wird zu folgern sein, dass es einerseits dem Zeugen nicht erlaubt werden kann, eine vorbereitete Aussage ohne weitere Erläuterung zu verlesen, andererseits darf der Zeuge sein Gedächtnis durchaus durch mitgebrachte Unterlagen auffrischen. Mitgebrachte, vorbereitete Aussagen können demnach als Urkunde zum Protokoll genommen werden; das Gericht muss sich dann aber der im Termin schwer zu lösenden Aufgabe unterziehen, die inhaltliche Urheberschaft des Schriftstücks aufzuklären (Musielak/Voit/Huber § 396 Rz 2; Zö/Greger § 396 Rz 2). Umgekehrt ist es dem Gericht nicht verwehrt, einem Zeugen seine protokollierte Aussage aus einem Parallelverfahren vorzulesen und ihn zu befragen, ob diese Aussage zutrifft. Sofern die Parteien gleichwohl die Gelegenheit erhalten, den Zeugen zu befragen und ihm Vorhalte zu machen, ist diese Art der Vernehmung auch unter dem Gesichtspunkt der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nicht zu beanstanden (BGH NZG 10, 1395 [BGH 16.09.2010 - III ZR 332/09], Rz 7).

D. Befragung.

I. Gericht.

 

Rn 4

Durch Vorhalten, zB des Sachvortrags der Parteien und/oder der Aussagen anderer Zeugen und/oder der bei den Akten befindlichen Urkunden, sowie va durch Nachfragen bzgl solcher entscheidungserheblicher Punkte, zu denen – aus welchen Gründen auch immer – der Zeuge keine Angaben gemacht hat, hat das Gericht gem 396 II, III sodann die weitere Aufklärung voranzutreiben. Hier ist auch aufzuklären, woher das Wissen des Zeugen rührt, va ob er eigene Wahrnehmungen wiedergibt oder ob es sich bei ihm nur um einen so genannten Zeugen ›vom Hörensagen‹ handelt. Beanstandungen gegen die Zulässigkeit von Fragen sind gem § 140 zu behandeln. Ist für die Vernehmung des Zeugen ein Beweisbeschluss erlassen worden (s hierzu § 377 Rn 3), so führt dies nicht zu einer inhaltlichen Beschränkung der Vernehmung auf die im Beschluss aufgeführten Fragen (BFH 1.3.16 – V B 44/15, Rz 7).

II. Parteien und Anwälte.

 

Rn 5

Das Fragerecht der Parteien und Anwälte ist in § 397 geregelt.

E. Protokollierung.

 

Rn 6

Die Aussage des Zeugen ist zu protokollieren, § 160 III Nr 4. Für die spätere Beweiswürdigung, insb für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen kann es sich als sehr hilfreich erweisen, das Diktat hinsichtlich der vom Zeugen zunächst gem § 396 I ›im Zusammenhang‹ zu leistenden Aussage vorzunehmen, und erst danach und erkennbar hiervon abgesetzt die Antworten des Zeugen auf die ihm gestellten Fragen (§ 396 II, III, 397) zu diktieren, wobei es wiederum sinnvoll ist, festzuhalten, von welchem Prozessbeteiligten welche Frage stammt (s den Vorschlag bei Musielak/Voit/Huber § 396 Rz 3: ›auf Frage des Klägervertreters‹ etc). Es ist auch hilfreich, die Bekundungen des Zeugen in der Reihenfolge zu protokollieren, in der sie getätigt wurden (FG München 7.2.2014 – 10 K 3728/10). Zulässig ist es – jedenfalls bei Einverständnis der Parteien – den Inhalt der Zeugenaussage nicht in das Protokoll aufzunehmen, sondern hierüber nachträglich aus dem Gedächtnis einen ›Berichterstattervermerk‹ anzufertigen (BGH NJW 10, 3774 [BGH 01.10.2010 - V ZR 173/09], Rz 6 ff); hiervon ist aber mangels Authentizität des so Niedergelegten abzuraten.

F. Rechtsbeistand.

 

Rn 7

Der Zeuge darf sich – auf eigene Kosten (Zö/Greger Vor § 387 Rz 16) – von einem Rechtsbeistand begleite...

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