Rn 13

Die Rügefrist beträgt zwei Wochen (Abs 2 S 1). Es handelt sich um eine Notfrist iSd § 233, sodass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist. Die Frist beginnt nicht mit Zustellung des Urteils, sondern mit der Kenntniserlangung der Partei von der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Dafür ist die positive Kenntnis der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten verlangt (BAG NJW 06, 2346 [BAG 31.05.2006 - 5 AZR 342/06 (F)] RzRz 3; Stuttg BeckRS 18, 18518). Das liegt vor, wenn der Partei sämtliche Tatsachen bekannt sind, die vorhanden sein müssen, um einen entsprechenden Schluss auf die Gehörsverletzung zu ziehen (MüKoZPO/Musielak Rz 10). Ein Fall des sich bewussten Verschließens vor der Kenntnis ist bei sachgerechter Auslegung einer Kenntnis iSd § 321a II 1 gleichzusetzen (Oldbg MDR 09, 764 [OLG Oldenburg 27.04.2009 - 13 U 46/08]; Jena NJW-RR 11, 1694 [OLG Jena 17.08.2011 - 4 U 144/11]; BVerfG NJW-RR 10, 1215: verfassungsrechtlich unbedenklich). Allerdings dürfte im Regelfall eine Kenntnis von dem Gehörsverstoß nicht vor Zustellung des vollständig abgesetzten Urt anzunehmen sein bzw damit zusammenfallen (BGH FamRZ 06, 1029; Musielak/Musielak Rz 9a; ThoPu/Reichold Rz 6; wohl als generelle Regel Zö/Feskorn Rz 14; aA St/J/Althammer Rz 26: nicht vor Entscheidungserlass), denn sonst kennt die Partei die Gründe für die Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht (BGH, 15.7.10, I ZR 160/07 – insoweit nicht in NJW-RR 10, 1414 [BGH 12.11.2009 - I ZR 160/07]). Vor Erlass des Urteils ist keine Erhebung der Rüge möglich (anders bei § 320 II 2), auch wenn die Partei den Gehörsverstoß schon vorher kannte (St/J/Althammer Rz 26). Der Zeitpunkt des Fristbeginns ist iSd § 294 glaubhaft zu machen (Abs 2 S 1 Hs 2).

Abs 2 S 2 sieht aus Gründen der Rechtssicherheit eine Höchstfrist von einem Jahr nach Bekanntgabe der Entscheidung vor. Diese Jahresfrist stellt eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist dar, die eine fortdauernde Unsicherheit über einen denkbaren Verfahrensfortgang vermeiden soll. Bei Urteilen und sonst förmlich verkündeten Entscheidungen ist die Bekanntgabe in Betreff der Höchstfrist aus Gründen der Klarheit und wegen des Zwecks der Ausschlussfrist mit der Verkündung des Urteils iSd § 310 gleichzusetzen, denn darin liegt eben eine ›Bekanntgabe‹ (aA St/J/Althammer Rz 26; Zö/Feskorn Rz 14: Zustellung des vollständigen Urteils). Abs 3 S 3 fingiert die Bekanntgabe im Hinblick auf die Jahresfrist (BVerfG NJW 07, 2242, 2244 [BVerfG 04.04.2007 - 1 BvR 66/07]) bei Entscheidungen, die formlos mitgeteilt werden, auf den dritten Tag nach Aufgabe zur Post. Diese Frist ist auch dann maßgeblich, wenn im Einzelfall ein anderer (früherer oder späterer) Bekanntgabetag ermittelt werden kann (so auch Rensen MDR 05, 181, 184). Die Aufgabe zur Post muss aktenkundig gemacht werden (Zö/Feskorn Rz 14), sonst beginnt die Jahresfrist insoweit nicht zu laufen.

Die Anhörungsrüge hat keinen Einfluss auf den Lauf von Fristen wie zB der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Wiedereinsetzungsfrist (BGH NJOZ 09, 3889, 3891 RzRz 13).

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