Rn 8

Ein Grundurteil hat keinen Sinn und verursacht unnötige Kosten, wenn zu erwarten ist, dass die Forderung nicht in irgendeiner Höhe besteht; in einem solchen Fall sollte die Endentscheidungsreife für die Gesamtforderung hergestellt und durch Endurteil entschieden werden. Der BGH gießt diese Einsicht in eine ungeschriebene Voraussetzung. Danach muss es nach dem im Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich sein, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH NJW-RR 07, 1008, 1009, NJW-RR 12, 880 [BGH 08.12.2011 - VII ZR 12/09] Rz 13; NJW 14, 458 [BGH 25.10.2013 - V ZR 230/12] Rz 26; 18.10.22 – XI ZR 606/20 Rz 16 = NJW-RR 23, 64; Celle BeckRS 14, 16695 Rz 36); bei mehreren Teilansprüchen bezogen auf jeden Teilanspruch (BGH NJW 15, 3453, 3455 [BGH 17.09.2015 - IX ZR 263/13] Rz 10 f; Celle BeckRS 14, 16695 Rz 36). Die sich aus einem Erfahrungssatz ergebende allgemeine Wahrscheinlichkeit reicht dafür laut BGH nicht aus. Vielmehr muss sich das Gericht i.R. einer erforderlichen Gesamtabwägung grds umfassend mit den Umständen des Einzelfalls auseinandersetzen, wozu auch die vorgebrachten Indizien und etwaige vorgelegte Parteigutachten zählen (BGH NJW 20, 1435 [BGH 28.01.2020 - KZR 24/17] Rz 52; allg zum Grundurt im Kartellschadensprozess Thole NZKart 20, 227, 230; sehr zurückhaltend und strenge Maßstäbe an die Wahrscheinlichkeit anlegend auch BGH NZKart 21, 457 Rz 15; BGH 13.4.21 – KZR 95/18 BeckRS 21, 18610 Rz 16). ZT wird gar eine ›hohe‹ (BGHZ 108, 256, 260 = NJW 89, 274) oder ›hinreichende‹ Wahrscheinlichkeit verlangt (BGH VersR 67, 1002, 1003) oder eine Wahrscheinlichkeit, die es ›prozessökonomisch sinnvoll‹ erscheinen lässt, den Streit über den Grund vor die Klammer zu ziehen (München 4.10.17 – 3 U 4833/15 Rz 32). Daran fehlt es, wenn dem Beklagten durch Beschl die Möglichkeit eingeräumt wird, noch ergänzend zu Gegenforderungen vorzutragen, die ihrer Höhe nach den Klageanspruch übersteigen (BGH NJW-RR 07, 1008, 1009 [BGH 18.01.2007 - III ZB 35/06]) und damit die Klageforderung schon dem Grunde nach zunichtemachen. Entgegen dem BGH (NZM 03, 372, 373 [BGH 12.02.2003 - XII ZR 324/98]) ist dies aber schon wegen der geringen Fassbarkeit des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes keine zwingende und für jeden Fall zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung (ebenso Schilken ZZP 95, 45, 59), auch nicht das Erfordernis einer summarischen Prüfung (so wohl MüKoZPO/Musielak Rz 19). Der Erlass eines Grundurteils kann dann aber an der mangelnden Teilbarkeit von Grund und Betrag scheitern (Rn 9) oder nach der allerdings nicht angreifbaren Einschätzung des Gerichts unzweckmäßig sein (Rn 20). Nur wenn es darum geht, bestimmte Sachfragen dem Nachverfahren vorzubehalten (näher unten, Rn 24), kommt es darauf an, dass zumindest im Betragsverfahren ein Teil des Anspruchs bestehen bleibt. Die Wahrscheinlichkeitsprüfung limitiert also allenfalls diese pragmatisch motivierte Aufweichung des Merkmals des Anspruchsgrunds (Rn 14 f), ist aber keine Zulässigkeitshürde für sämtliche Grundurteile.

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