Rn 21

Das Teilurteil spaltet den Rechtsstreit in zwei Teile auf. Ein Vorbringen zu dem durch Teilurteil erledigten Teil ist im Verfahren über den verbleibenden Teil nicht mehr zulässig. Verspätete Angriffs- und Verteidigungsmittel dürfen nicht durch Teilurteil zurückgewiesen werden (Rn 4). Das Teilurteil kann für den jeweils entschiedenen Teil selbstständig formell und materiell rechtskräftig werden. Auch ein unzulässiges Teilurteil entfaltet volle Rechtskraftwirkung (vgl RGZ 132, 349, 352; BGH NJW 89, 2133, 2134, NJW-RR 14, 270 Rz 10). Durch die Rechtskraft kann auch ein wegen fehlender Widerspruchsfreiheit unzulässiges Teilurteil geheilt werden. Durch den Erlass des Teilurteils gegen einen Streitgenossen ist der Rechtsstreit in selbstständige Verfahren getrennt worden, die nach Erlass des Teilurteils so zueinander stehen, als wären von vornherein die Teile isoliert eingeklagt worden (BGH NJW-RR 14, 270 [BGH 01.10.2013 - VI ZR 409/12] Rz 10). Die übrigen Streitgenossen werden in ihrem Vorbringen nicht beschnitten. Beinhaltet der vom Teilurteil erledigte Teil des Streitgegenstands eine Vorfrage für das Schlussurteil, so hat das Teilurteil präjudizielle Wirkung. Nach allgemeinen Regeln fehlt es an der Rechtskraft, wenn der Umfang und Gegenstand der Entscheidung nicht hinreichend bestimmt ist. Das Teilurteil ist selbstständig vollstreckbar und wie jedes gewöhnliche Endurteil anfechtbar (BGH NJW 89, 2133, 2134 [BGH 21.12.1988 - VIII ZR 277/87]). Die Rechtsmittelbeschwer richtet sich allein nach dem Teilurteil und dem ggf damit verbundenen Grundurteil. Letzteres gilt auch, wenn der Erlass des Teilurteils unzulässig war. Das erstinstanzliche Gericht sollte daher unter Abs 2 abwägen, ob das Teilurteil auch im Falle des Nichterreichens der Berufungssumme angemessen ist; willkürliches Aufspalten ist in jedem Fall unzulässig (weitergehend Lousanoff S 147 ff).

 

Rn 22

Innerhalb des weiteren Verfahrens in derselben Instanz ist das erlassende Gericht an die ausgesprochene Rechtsfolge (nicht aber an die tatsächliche Begründung) nach Maßgabe des § 318 gebunden. Diese Bindung bedeutet, obwohl sie mit der Rechtskraft nichts zu tun hat, innerhalb der Instanz dasselbe wie die materielle Rechtskraft für den Richter eines zweiten Rechtsstreits (BGH WM 71, 1366, 1367). Daher besteht keine Bindung an die im Teilurteil zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung, sondern nur an das Ergebnis.

In der Rechtsmittelinstanz hat das Rechtsmittelgericht vAw zu prüfen, ob das Teilurteil zulässig war, und zwar wie beim Grundurteil (§ 304 Rn 23) auch in der Revisionsinstanz; das hat der BGH jetzt unter Aufgabe früher Rspr mit Recht entschieden (BGH MDR 11, 935 Rz 19 ff; NJW 11, 2800 Rz 31; in diese Richtung schon BGH NJW 03, 2380, 2381 [BGH 30.04.2003 - V ZR 100/02]; anders noch BGH NJW 91, 2084: nur auf Verfahrensrüge; offen BGH NJW 04, 1662, 1664 [BGH 28.11.2003 - V ZR 123/03], vgl dazu § 551 III Nr 2b). Das weitere Vorgehen richtet sich nach der Zulässigkeit des Teilurteils: Der BGH lässt es zu, dass das Rechtsmittelgericht bei unzulässigem Teilurteil den noch in der unteren Instanz anhängigen Rechtsstreit über den Rest an sich zieht, um die durch den Erlass des unzulässigen Teilurteils entstandene Prozesslage wieder zu bereinigen und ein Voll-Endurteil ohne Bindung nach § 318 zu ermöglichen (BGHZ 30, 213, 216; BGH NJW 00, 137, 138, NJW 11, 2800, 2802 Rz 33; NZI 16, 580 Rz 11; stRspr). Diese Lösung hat Gründe der Prozessökonomie auf ihrer Seite, sodass die für die Klageänderung geltenden Maßstäbe der Sachdienlichkeit (§ 263) sich möglicherweise übertragen ließen (so mit beachtlichen Gründen Musielak FS Lüke 97, 561, 579). Im Grunde negiert das ›Hinaufholen‹ aber die eigenen Prämissen des Teilurteils. Hat das Teilurteil sein eigenes verfahrensrechtliches Schicksal, so muss sich dies auch im Instanzenzug durchsetzen; dabei kann es an sich keinen Unterschied machen, ob das Gericht das Teilurteil aufgrund von § 301 verfahrensrechtlich gar nicht oder aus materiell-rechtlichen Gründen nicht mit dem gewählten Inhalt erlassen durfte. Unproblematisch ist das Hinaufholen aber dann, wenn die Parteien damit einverstanden sind (Ddorf VersR 89, 705). Bei zulässigem Teilurteil darf das Berufungsgericht das erstinstanzliche Verfahren dagegen schon wegen der Kostenfolgen und Beschränkungen des Rechtsmittelverfahrens nicht ohne Einverständnis der Parteien hinaufziehen; und zwar auch nicht bei Sachdienlichkeit (aA Musielak FS Lüke 97, 561, 579). Ist eine Widerspruchsgefahr wegen der Entwicklung der prozessualen Situation nicht mehr gegeben, muss ein ursprünglich unzulässiges Teilurteil nicht aufgehoben werden (BGH NJW-RR 14, 979 [BGH 08.05.2014 - VII ZR 199/13] Rz 16; NZI 16, 580 [BGH 14.04.2016 - IX ZR 161/15] Rz 11; Ddorf NZKart 18, 477, 484). Zur Anwendbarkeit von § 301 in der Berufungsinstanz durch das Berufungsgericht selbst sogleich Rn 23.

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