Rn 50

Bei einem Rechtmittelauftrag an einen anderen Anwalt ist besondere Sorgfalt auf Seiten beider Anwälte erforderlich. Alle für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist erforderlichen Angaben, insb das vom Anwalt eigenverantwortlich festzustellende Zustelldatum der anzufechtenden Entscheidung müssen richtig und vollständig übermittelt und der Rechtsmittelauftrag eindeutig und unmissverständlich erteilt werden (BGH NJW 00, 3071 [BGH 04.04.2000 - VI ZB 3/00]). Dies enthebt den beauftragten Anwalt allerdings nicht der Pflicht, das Zustelldatum selbst zu überprüfen. Bei fernmündlicher Übermittlung sind Hörfehler auszuschließen (BGH aaO); empfehlenswert dürfte hier sein, sich den Auftrag zusätzlich per Fax übermitteln zu lassen, um jedes Missverständnis auszuschließen. Der Rechtsmittelanwalt hat in eigener Verantwortung durch geeignete und verlässliche Erkundigungen zu ermitteln, ob und wann ein Urteil der Vorinstanz zugestellt worden ist (BGH NJW 16, 1180 [BGH 27.01.2016 - XII ZB 684/14] Rz 22). Er muss daher geeignete und verlässliche Maßnahmen treffen, die eine zuverlässige Information vom Lauf der Frist gewährleisten. Im Regelfall ist eine Sachstandsanfrage bei dem Gericht der Vorinstanz eine geeignete Maßnahme, um zu klären, ob und ggf wann das vorinstanzliche Urteil zugestellt worden ist (BGH MDR 22, 848 [BGH 25.01.2022 - VIII ZR 233/20] Rz 37). Zu den Sorgfaltsanforderungen bei Rechtsmittelauftrag per E-Mail vgl BGH NJW 14, 556 [BGH 17.07.2013 - I ZR 64/13]; im Zusammenhang mit einer Honorarvereinbarung BGH NJW 14, 2556. Ein RA, der die Partei mittels einer E-Mail auf die am selben Tag ablaufende Rechtsmittelfrist hinweisen und sie zur Einlegung des Rechtsmittels motivieren will, muss durch die Anforderung einer Lesebestätigung sicherstellen, dass die Nachricht vom Empfänger zur Kenntnis genommen worden ist (BGH MDR 22, 788 Rz 14).

 

Rn 51

Ganz generell bedarf es bei Erteilung eines Rechtsmittelauftrags einer besonderen Fristenkontrolle im Hinblick auf die Annahme des Mandats (BGH NJW 01, 1576 [BGH 25.01.2001 - IX ZB 120/00]). Die Fristenkontrolle muss sicherstellen, dass das Mandat so rechtzeitig angenommen wird, dass die Rechtsmittel- bzw Rechtsmittelbegründungsfristen gewahrt werden können. Die Kontrolle, ob ein Rechtsmittelauftrag angenommen wurde, darf nicht allein dem Hilfspersonal überlassen werden; vielmehr muss sich der Anwalt die Handakten so rechtzeitig vorlegen lassen, dass bei Nichtübernahme des Mandats der Rechtsmittelauftrag noch einem anderen übernahmebereiten Rechtsanwalt erteilt werden kann (vgl BGH NJW 01, 3195f [BGH 19.06.2001 - VI ZB 22/01]). Allerdings ist der Anwalt, zu dem eine Partei wechselt, nachdem ihr bisheriger Prozessbevollmächtigter das Rechtsmittel bereits eingelegt und begründet hat, iRe Akteneinsicht nicht verpflichtet, die fristgebundenen Schriftsätze seines Vorgängers auf das Vorhandensein ordnungsgemäßer Unterschriften zu prüfen (BGH NJW 02, 3636 [BGH 26.09.2002 - III ZB 44/02]).

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