Rn 3

Zusätzliche Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Parteianhörung und Parteivernehmung hat die berühmte Rspr des EGMR zu den Fragen der Vier-Augen-Gespräche hervorgerufen (EGMR NJW 95, 1413). Nach dieser auch von der deutschen Rspr übernommenen Auffassung widerspricht es dem verfassungsrechtlichen Gebot der Waffengleichheit (vgl Einleitung Rn 44), wenn eine Partei iRd Beweisführung über ein Vier-Augen-Gespräch eine Person als Zeugen benennen kann, deren Interessenverflechtung zum Beweisführer erkennbar ist, während die Gegenseite als Gesprächspartner nur sich selbst und damit die Partei aufbieten kann. Der EGMR hatte im Jahre 1993 in dieser Situation die Rechtslage in den Niederlanden beanstandet. Aus deutscher Sicht wird allgemein die Auffassung vertreten, dass die Gesetzeslage dem Verfassungsgebot entspricht, weil ggü dem Zeugen die Partei entweder nach § 141 oder nach § 448 in gleicher Weise angehört werden kann (BGH NJW 13, 2601 [BGH 14.05.2013 - VI ZR 325/11]; Frankf MDR 13, 107 [OLG Nürnberg 30.11.2012 - 4 U 1514/12]; KG NJW 18, 239 [KG Berlin 11.07.2017 - 21 U 100/16]). Die ausdrücklich vorgesehene Verhandlungswürdigung in § 286 I gibt sodann dem Richter die Möglichkeit, unabhängig von Partei- und Zeugenstellung die Aussagen gegeneinander abzuwägen und zu bewerten (BVerfG NJW 01, 2531 [BVerfG 21.02.2001 - 2 BvR 140/00]; BGH NJW-RR 06, 61, 63 [BGH 27.09.2005 - XI ZR 216/04]; BGH NJW 03, 3636; NJW 99, 363 [BGH 16.07.1998 - I ZR 32/96]; BAG NJW 09, 1019 [BAG 19.11.2008 - 10 AZR 671/07]). Das Gericht hat letztlich sogar die Möglichkeit, der Parteierklärung entgegen der Zeugenaussage zu folgen (aA Eschelbach/Geipel MDR 12, 198). Damit erscheint die deutsche Regelung als verfassungsgemäß. De lege ferenda kann freilich nicht zweifelhaft sein, dass das deutsche Recht der Parteivernehmung reformbedürftig ist.

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