Rn 20

Aus § 138 (und aus § 142) ist verschiedentlich der Schluss gezogen worden, es müsse im Prozess eine allgemeine Aufklärungspflicht der nichtbeweisbelasteten Partei geben. Im Wege einer Rechtsanalogie wurden dabei die Abs 1 u 2 sowie die §§ 423 ff herangezogen (grdl Stürner; früher schon v. Hippel). Die hM und die Rspr sind dem zu Recht nicht gefolgt (BGH NJW 90, 3151 [BGH 11.06.1990 - II ZR 159/89]; NJW 92, 1817, 1819; NJW 97, 128, 129; NJW 00, 1108, 1109; NJW 07, 155, 156; NJW 07, 2989, speziell zu § 142, Stuttg EWiR 19, 607; R/S/G § 109 Rz 8; Prütting FS Gottwald 14, 514; Baumgärtel/Laumen/Prütting Grundlagen, 4. Aufl 19, Kap 21; Laumen FS Prütting 18, 391). Durch eine solche umfassende Aufklärungspflicht der nichtbeweisbelasteten Partei würde das System der Beweislastverteilung ausgehöhlt. Gerade § 138 II würde funktionslos, weil bereits nach allgemeinen Regeln jede Partei in diesem Fall alles offenbaren müsste, was sie weiß. Dies zeigt, dass § 138 nicht als Analogiebasis geeignet ist. Die weiteren für die Rechtsanalogie herangezogenen Normen (§ 423, 445, 448, 372a) stellen eine sehr schmale Analogiebasis dar. Zum Wesen einer den Zivilprozess prägenden kontradiktorischen Verfahrensgestaltung gehört es, dass die nichtbeweisbelastete Partei weder zur Sachverhaltsaufklärung beitragen muss noch Nachteile aus einer verbliebenen Unklarheit zu tragen hat. Keine Partei ist verpflichtet, bei der Ermittlung des Sachverhalts die Sache ihres Gegners zu betreiben. Dieser Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit wurzelt nach der Auffassung des BVerfG in der Menschenwürde (BVerfG NJW 81, 1431 [BVerfG 13.01.1981 - 1 BvR 116/77]). Von diesem Grundsatz wird zu Recht abgewichen, wenn sich eine materiell-rechtliche Verpflichtung ergibt, dem Gegner Informationen zu übermitteln. An vielen Stellen der Rechtsordnung zeigt sich, dass das deutsche Recht materiell-rechtlich geprägte Aufklärungspflichten in größerer Zahl kennt (§ 422 iVm Vorlegungsansprüchen gem §§ 716, 810, 896, 1145 sowie Rechnungslegungsansprüchen gem §§ 666, 675, 681, 687, 713, 1698, 2130, 2218 BGB). Der Streit um das Verhältnis von § 138 zu einer allg Aufklärungspflicht hat auch für das Verständnis von § 142 Bedeutung (s.u. § 142 Rn 1).

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