Rn 19

Gemäß § 121 II Alt 2 besteht die Verpflichtung, einen Anwalt beizuordnen, wenn der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Dieser Grundsatz der Waffengleichheit hat keine verfassungsrechtliche Qualität; einen Grundsatz, dass rechtliches Gehör immer durch die Vermittlung eines Anwalts gewährt werden muss, gibt es nicht (BVerfGE 9, 124 [BVerfG 22.01.1959 - 1 BvR 154/55]; daher ist § 78 II FamFG, soweit er mit der Beiordnung aus Gründen der Waffengleichheit gebrochen hat, in der Ausprägung, die er durch die verfassungskonforme Auslegung in BGH FamRZ 2010, 1427 gefunden hat – dazu Rn 10 –, verfassungsrechtlich unbedenklich, was auch – in diesem Punkt – nicht durch BVerfG NJW 09, 3417 [BVerfG 11.05.2009 - 1 BvR 1517/08] und BVerfGK 15, 426 in Frage gestellt wurde, die dortige Abgrenzung zu BVerfGE 9, 124 [BVerfG 22.01.1959 - 1 BvR 154/55] betraf eine andere Frage). Auch dem Streithelfer ist ein Anwalt beizuordnen, wenn der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (Köln FamRZ 02, 1198). Gegner ist der Prozessgegner im Verfahren nach der ZPO. In den Familiensachen, für die der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, ist nicht ohne weiteres feststellbar, wer der Gegner ist. Wenn feststeht, dass die Beteiligten unterschiedliche Ziele verfolgen, liegt eine Gegnerschaft vor (Zö/Schultzky Rz 11).

1. Zwang zur Beiordnung bei Vertretung des Gegners durch einen Rechtsanwalt.

 

Rn 20

Auf Antrag ist der bedürftigen Partei ein Rechtsanwalt immer dann beizuordnen, wenn der Gegner durch einen Anwalt vertreten ist. Der Wortlaut der Vorschrift gibt keinerlei Ermessensspielraum, dennoch soll nach verbreiteter Meinung nicht zwingend eine Verpflichtung zur Anwaltsbeiordnung bestehen, wenn der Gegner durch einen Anwalt vertreten ist (so BGHZ 91, 314; KG NJW-RR 01, 900, Ddorf FamRZ 96, 226; Hamm FamRZ 90, 896; aA Köln FamRZ 02, 1198). Nach dieser einschränkenden Auslegung soll eine Anwaltsbeiordnung dann nicht erforderlich sein, wenn zwar die Gegenpartei durch einen Anwalt vertreten ist, der Klage aber nicht entgegengetreten wird oder die Sach- und Rechtslage einfach ist (Ddorf MDR 95, 1145; Nürnbg FamRZ 95, 371). Das BVerfG hat insoweit zum Privatklageverfahren ausgeführt, dass das, was das rechtsstaatliche Gebot fairer Verfahrensführung fordert, sich nicht abstrakt feststellen lässt, sondern unter Berücksichtigung der jeweiligen Verfahrensordnung festzustellen ist. In diesem Zusammenhang kommt der Frage, in welchem Umfang die Parteien den Rechtsstreit prägen und in welchem Umfang der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, entscheidende Bedeutung zu (BVerfGE 63, 380). Dieser Entscheidung lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass jedenfalls iRd § 121 und im Arbeitsgerichtsverfahren ein Entscheidungsspielraum betreffend die Beiordnung eines Anwalts nicht besteht. In jedem Fall ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt zwingend erforderlich, wenn ein streitiges Verfahren vorliegt (Schlesw OLGR 01, 1133; Zimmermann Rz 565). Das gilt auch im Verfahren mit Amtsermittlung. Der klare Wortlaut des § 121 II gebietet eine Beiordnung ohne weitere Prüfung. Auch eine Beschränkung auf streitige Verfahren ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen (so auch Zimmermann Rz 346; Dürbeck/Gottschalk Rz 683; Zö/Schultzky Rz 21). Auch für nichtstreitige Verfahren mit Amtsermittlung muss daher eine Anwaltsbeiordnung ohne weitere Prüfung der Erforderlichkeit erfolgen (Köln FamRZ 98, 251). Der Grundsatz der Waffengleichheit gilt auch, wenn die bedürftige Partei selbst Juristin ist, aber nur kurze Zeit als Rechtsanwältin tätig war und der Sach- und Streitstand schwierig ist (Frankf FamRZ 01, 1533). Stellen beide Parteien anwaltlich vertreten einen Antrag auf Bewilligung von PKH und Anwaltsbeiordnung, so rechtfertigt dies allein nicht die Beiordnung nach dem Grundsatz der Waffengleichheit. Vielmehr ist zunächst bei der antragstellenden Partei zu prüfen, ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich ist. Erst wenn hier die Beiordnung erfolgt, ist dem Gegner aus dem Grundsatz der Waffengleichheit ebenfalls ein Rechtsanwalt beizuordnen (Zweibr RPfleger 00, 220). Im Unterhaltsverfahren ist dem durch das Jugendamt vertretenen Kind auf Antrag ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn der Gegner anwaltlich vertreten ist (Schlesw FamRZ 09, 900).

2. Beiordnung bei sonstigen sachkundigen Gegnern.

 

Rn 21

Ist der Gegner durch eine Person oder eine Institution vertreten, die zwar kein Anwalt ist, aber ansonsten sachkundig und prozesserfahren ist, so ist in entsprechender Anwendung des Grundsatzes der Waffengleichheit auf Antrag ein Anwalt beizuordnen. So, wenn einer Naturalpartei rechtskundige und prozesserfahrene Vertreter einer Behörde gegenüberstehen, und zwar selbst in Verfahren, die dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegen (BVerfG NZS 11, 775 mwN zum sozialgerichtlichen Verfahren). Ebenso, wenn eine der Parteien durch einen Justiziar vertreten ist, zu dessen Aufgabenkreis gerade das betroffene Verfahren gehört (LG Regensburg ZEV 06, 35 Justiziar eines bischöflichen Ordinariats). Außerdem bei Vertretung des Gegners durch ein prozesserfahrenes Jugendamt (Ddorf FamRZ 95, 241). Es wird aber auch vertreten...

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