Rn 21

Von der Frage des Beginns der Wirkungen der PKH zu unterscheiden ist die Frage, auf welchen Zeitpunkt das Gericht bei der Beurteilung der Bedürftigkeit und der Erfolgsaussicht abzustellen hat. Für die Bedürftigkeit kommt es grds auf den Zeitpunkt der Entscheidung an (BGH FamRZ 06, 548). Die Änderung der Bedürftigkeit könnte ohnehin ansonsten gem § 124 korrigiert werden. Dem Antragsteller entsteht demnach kein Nachteil, wenn bereits in der ersten Entscheidung ein anderer Zeitpunkt zugrunde gelegt wird. Auch hinsichtlich der Beurteilung der Erfolgsaussicht ist grds der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung Entscheidungsgrundlage (BFH NV 07, 2113; Saarbr OLGR 09, 929; Köln JurBüro 06, 657; München FamRZ 98, 633; Zö/Schultzky Rz 44; aA KG FamRZ 09, 1505: Zeitpunkt der Bewilligungsreife), allerdings nur, sofern alsbald nach Entscheidungsreife entschieden wird (BGH FamRZ 10, 197). Zur Entscheidung reif ist der PKH-Antrag, wenn die Partei ihn schlüssig begründet, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mitsamt Belegen vorgelegt und der Gegner Gelegenheit gehabt hat, sich innerhalb angemessener Frist – in der Praxis idR zwei Wochen, in schwierigeren Fällen auch länger – zum PKH-Antrag zu äußern (BGH FamRZ 10, 197). Wird dann nicht alsbald (!) entschieden, so liegt eine pflichtwidrige Verzögerung vor mit der Folge, dass auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife abzustellen ist (vgl Saarbr OLGR 09, 929; Hamm FamFR 11, 256; Zö/Schultzky Rz 45 mwN: ›Naturalrestitution für die Amtspflichtverletzung‹; anders Stuttgt NZFam 15, 1020). Nach Auffassung einiger Verwaltungsgerichte sind dagegen Tatsachen, die die Erfolgsaussichten der Klage nach Bewilligungsreife positiv verändern, zu berücksichtigen (BayVerwGH JAmt 17, 207 mwN).

 

Rn 22

Wenn um Bewilligung von PKH für eine noch nicht erhobene Klage nachgesucht wird, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen (Karlsr FamRZ 94, 1123).

 

Rn 23

Die nach Eintritt der Entscheidungsreife aufgrund einer durchgeführten Beweisaufnahme eingetretene Verschlechterung der Erfolgsaussicht des Antragstellers darf der Bewilligung nicht entgegenstehen (aA unrichtig Stuttg NZFam 15, 1020). Es ist dann nach jeder Auffassung für die Beurteilung auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife abzustellen, wobei dies nur dann gilt, wenn der Grund für die Verzögerung nicht in der Sphäre des Antragstellers liegt (KG FamRZ 07, 1469; Saarbr Beschl v 22.7.04 – 6 WF 51/04). Das Gericht kann die Bewilligung von PKH nicht mit der Begründung rückwirkend aufheben, dass mittlerweile die Erfolgsaussicht des Verfahrens nicht mehr gegeben sei (Köln FamRZ 03, 1397). Entsteht ein Verfahrenshindernis, bevor der PKH-Antrag entscheidungsreif ist, dann ist PKH zu versagen; Bsp: Eingang der Jugendamtsurkunde vor Ablauf der Stellungnahmefrist im vereinfachten Verfahren gem §§ 249 ff FamFG, zuvor §§ 645 ff (Naumbg OLGR 00, 28). Wird allerdings die Klage zurückgenommen, bevor PKH bewilligt wird, dann kann, wenn vor Rücknahme die Bewilligungsvoraussetzungen vorlagen, noch PKH bewilligt werden (LAG Hamm JurBüro 88, 771; Karlsr FamRZ 88, 737). Das gilt auch bei übereinstimmender Erledigungserklärung oder bei einem Vergleich (Schlesw JurBüro 02, 85). Auch dem Beklagten kann noch nach Klagerücknahme PKH bewilligt werden, wenn die Klageverteidigung bereits erfolgt und PKH-Antrag gestellt war (BGH FamRZ 10, 197). Ist dem Antragsteller PKH versagt worden und reicht er im Beschwerdeverfahren vor der Entscheidung notwendige Unterlagen nach, so ist auf diesen Zeitpunkt abzustellen und PKH zu bewilligen (Brandbg Beschl v 13.2.07 – 10 WF 34/07).

 

Rn 24

Insbesondere dann, wenn bei nicht beschiedenem PKH-Antrag der Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung sein Verhandeln davon abhängig macht, dass über den PKH-Antrag entschieden wird, kommt eine rückwirkende Bewilligung von PKH in Betracht. Bei säumiger Behandlung seitens des Gerichtes darf und sollte der Rechtsanwalt in der Verhandlung sein Auftreten von der PKH-Bewilligung abhängig machen. In diesem Fall kann er nicht als säumig behandelt werden, weil der Antragsteller einen Anspruch darauf hat, erst Klarheit darüber erlangen, ob er Kostenfreiheit genießt, bevor weitere Gebühren anfallen (Naumbg FamRZ 00, 106).

 

Rn 25

Anders ist die Situation, wenn zwischenzeitlich eine andere Entscheidung in der Hauptsache ergangen ist. Dann ist das Rechtsmittelgericht an die Entscheidung in der Hauptsache gebunden, weil es nicht in einem Nebenverfahren zu einem anderen Ergebnis kommen soll, als die rechtskräftige Hauptsacheentscheidung (BGH NJW 12, 1964 [BGH 07.03.2012 - XII ZB 391/10]).

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