I. Grundsätze.

 

Rn 10

Auf die Immunität kann durch den Entsendestaat im Wege ausdrücklicher Erklärung verzichtet werden (Art 31 I, II WÜD). Auch der Berechtigte selbst kann einen solchen Verzicht erklären und sich so freiwillig der deutschen Gerichtsbarkeit unterwerfen. Der Verzicht kann auch allg erfolgen (Kissel/Mayer § 18 Rz 23). Wegen des Grundsatzes in Art 32 I WÜD ist allerdings die ggf zumindest nachträgliche Zustimmung des Entsendestaates oder eines von ihm insoweit Bevollmächtigten notwendig (Meyer-Goßner § 18 GVG Rz 5; Zö/Lückemann Vor § 18 GVG Rz 5; Anders/Gehle/Albers ZPO Einf vor §§ 18–20 GVG Rz 4; MüKoZPO/Zimmermann Vor §§ 18–20 Rz 8). Der iRe bestimmten gerichtlichen Verfahrens mögliche Verzicht erfolgt regelmäßig durch prozessuale Willenserklärung oder – insoweit ggf auch konkludent – für bestimmte Maßnahmen der Beweiserhebung. Ein solcher Verzicht wird in der Rspr regelmäßig trotz der von Art 32 II WÜD geforderten Ausdrücklichkeit zB auch in Einlassungen zur Sache oder in einer Stellung von Sachanträgen gesehen (BVerfG NJW 14, 1723; BAG RIW 15, 756). Allerdings unterliegt die Annahme, ein solcher Verzicht sei erklärt worden, strengen Anforderungen. Die Umstände des Falls dürfen in dieser Hinsicht keine Zweifel lassen (BAG Urt v 14.12.17 – 2 AZR 216/17, juris; BAG RIW 15, 756; BGH NJW 13, 3184). So bedeutet es etwa für sich genommen keinen Verzicht auf die Staatenimmunität, dass die Parteien für ihr Arbeitsverhältnis die Anwendung deutschen Rechts vereinbart haben (BAG Urt v 29.6.17 – 2 AZR 759/16 – juris). Demgegenüber ist es denkbar, ihn in einer Regelung ›miterklärt‹ zu sehen, die zunächst nur die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Beschäftigungsstaates bestimmt; das allerdings setzte voraus, dass die Gerichtsstandsvereinbarung leerliefe, wenn mit ihr nicht zugleich ein Immunitätsverzicht, und zwar insbesondere auch bezogen auf die konkret vorliegende Beendigungsstreitigkeit, verbunden wäre (BAG, Urt v 14.12.17 – 2 AZR 216/17, juris). Der verfahrensbezogene Verzicht im Erkenntnisverfahren gilt nur für den jeweiligen Rechtsstreit, dort aber für alle Instanzen, nicht hingegen automatisch für ein anschließendes Vollstreckungsverfahren (BVerfGE 117, 141 [BVerfG 06.12.2006 - 2 BvM 9/03]; Art 32 IV WÜD, BGH NJW-RR 06, 425 [BGH 04.10.2005 - VII ZB 8/05] zum Investitionsschutzvertrag BRD/UdSSR), etwa wegen Kosten.

II. Sonderfall Eigeninitiative.

 

Rn 11

Die Immunität hat nur die negative Bedeutung eines Schutzes vor Eingriffen idS, dass gegen den ihren Schutz Genießenden die Gerichtsbarkeit nicht in Bewegung gesetzt werden darf, hindert indes nicht die eigene Inanspruchnahme der Gerichte des Empfangsstaats durch den Betreffenden als Rechtsbehelfsführer (KG Berlin FamRZ 10, 1589 unter Verweis auf RGZ 111, 149, 150; OVG Münster NJW 92, 2043; BVerwG DVBl 96, 871, insoweit jew zur Geltendmachung von Sozialleistungen). In diesen Fällen bedarf es keines Immunitätsverzichts des Entsendestaates. Deswegen steht die Immunität auch der Anerkennung eines auf Antrag des Diplomaten im Empfangsstaat ergangenen Scheidungsurteils nicht entgegen (BGH MDR 11, 604 [BGH 30.03.2011 - XII ZB 300/10]). Die Rechtsbehelfseinlegung durch den Exterritorialen beinhaltet einen verfahrensbezogenen Verzicht auf die Immunität. Ruft die Immunität genießende Person selbst ein Zivilgericht an, so kann sie sich auch ggü einer Widerklage nicht darauf berufen, sofern deren Gegenstand einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Klagebegehren aufweist (Art 32 III WÜD). Auch Einwendungen gegen die Klage des Diplomaten, etwa die Aufrechnung im Prozess, bleiben zulässig. In diesem Bereich besteht dann kein Erfordernis eines gesonderten Verzichts für Vollstreckungsmaßnahmen (Art 32 IV WÜD) oder ein Zustimmungsvorbehalt (Art 32 I WÜD).

III. Verzicht auf die Staatenimmunität.

 

Rn 12

Auch hinsichtlich der Staatenimmunität (vgl Rn 4) ist ein pauschaler Verzicht zulässig und wirksam. Dies hat die Rspr in jüngerer Vergangenheit im Zusammenhang mit entspr Verzichtserklärungen bei argentinischen Staatsanleihen mehrfach beschäftigt. Hinsichtlich der Reichweite von Verzichtserklärungen ist auch insoweit zurückhaltende Interpretation geboten. Aus der Staatenpraxis und dem völkerrechtlichen Schrifttum ergibt sich, dass ein allg, in den Anleihebedingungen eines ausländischen Staates enthaltener Immunitätsverzicht zwar geeignet ist, die allg Staatenimmunität im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren aufzuheben. Die Zustimmung zur Vollstreckung auch in solches Vermögen, welches der Aufrechterhaltung des Betriebs der diplomatischen Mission des erklärenden Entsendestaats dient, kann darin von Völkerrechts wegen aber nicht gesehen werden (zu den sog ›Argentinien-Anleihen‹ zuletzt Frankf Beschl v 6.6.08 – 8 U 201/07). Dies ist eine Folge des im Völkerrechtsverkehr anerkannt hohen Schutzniveaus diplomatischer Belange, das sich in dem WÜD sowie erg Völkergewohnheitsrecht zeigt (BVerfG NJW 07, 2605 [BVerfG 06.12.2006 - 2 BvM 9/03]; BGH Rpfleger 07, 556 [BGH 04.07.2007 - VII ZB 6/05]).

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