Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung in Konten einer diplomatischen Vertretung. Verzicht auf den besonderen Schutz der diplomatischen Immunität

 

Leitsatz (amtlich)

Allein der in Bedingungen von Staatsanleihen ausgesprochene allgemeine Verzicht des Staates auf Immunität für gerichtliche Verfahren einschließlich des Zwangsvollstreckungsverfahrens bedeutet keinen Verzicht auf den besonderen Schutz der diplomatischen Immunität.

 

Normenkette

GG Art. 25

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Beschluss vom 07.11.2003; Aktenzeichen 25 W 100/03)

AG Berlin-Mitte (Beschluss vom 16.06.2003; Aktenzeichen 23 M 4848/03)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des 25. Zivilsenats des KG vom 7.11.2003 - 25 W 100/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

[1] Der Gläubiger ist Inhaber von Staatsanleihen der Schuldnerin. In § 12 Abs. 4 der Anleihebedingungen der Staatsanleihe heißt es:

"In dem Ausmaß, in dem die Republik derzeit oder zukünftig Immunität (aus hoheitlichen oder sonstigen Gründen) von der Gerichtsbarkeit irgendeines Gerichts oder von irgendeinem rechtlichen Verfahren (ob bei Zustellung, Benachrichtigung, Pfändung, Vollstreckung oder in einem sonstigen Zusammenhang) in Bezug auf sich selbst oder ihre Einkünfte, ihr Vermögen oder Eigentum besitzt oder erwerben sollte, verzichtet die Anleiheschuldnerin hiermit unwiderruflich auf eine solche Immunität in Bezug auf ihre Verpflichtungen aus den Teilschuldverschreibungen in dem Umfang, in dem sie dazu gemäß dem anwendbaren Recht berechtigt ist."

[2] Das LG F. verurteilte die Schuldnerin zur Zahlung von 766.937,82 EUR und Zinsen an den Gläubiger Zug um Zug gegen Herausgabe der Inhaberschuldverschreibungen. Aus diesem Urteil betreibt der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in Konten, die die Schuldnerin bei der Drittschuldnerin unterhält.

[3] Mit Schreiben vom 25.3.2003 erklärte der Botschafter der Schuldnerin in Deutschland, dass diese Konten

"allein dazu dienen, die Ausgaben und Kosten für Einrichtung und Tätigkeit der diplomatischen Mission in Deutschland abzuwickeln. Die dort unterhaltenen Guthaben sind beispielsweise zur Zahlung der Löhne und Gehälter der Angestellten und Mitglieder der diplomatischen Mission, der Miete für die Botschaftsräume sowie andere mit deren Einrichtung und Tätigkeit verbundenen Ausgaben bestimmt ... Eine Pfändung dieser Konten würde den Botschaftsbetrieb schwerwiegend beeinträchtigen."

[4] Auf Antrag des Gläubigers hat das AG am 23.4.2003 die Pfändung von Konten, die die Schuldnerin bei der Drittschuldnerin führt, wegen einer Forderung i.H.v. insgesamt 843.188,78 EUR angeordnet und die Ansprüche aus den Konten an den Gläubiger überwiesen. Die Erinnerung der Schuldnerin gegen diesen Beschluss hat das AG zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben und den Antrag des Gläubigers zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der Gläubiger die Wiederherstellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erreichen.

II.

[5] Das Beschwerdegericht führt aus, die finanzielle Abwicklung der Ausgaben und Kosten der Botschaft der Schuldnerin über das streitgegenständliche Konto gehöre unmittelbar zur Aufrechterhaltung der diplomatischen Funktionen der Schuldnerin. Die Schuldnerin habe nachvollziehbar dargelegt und hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Pfändung den Botschaftsbetrieb schwerwiegend beeinträchtige. Dieser Feststellung stehe weder der Vortrag des Gläubigers, dass die Botschaft trotz der Pfändung über Monate unbeeinträchtigt weiter betrieben worden sei, noch die Höhe des Guthabens der Schuldnerin auf diesen Konten entgegen. Das Guthaben der Schuldnerin auf diesen Konten genieße kraft allgemeinen Völkerrechts den besonderen Immunitätsschutz zugunsten diplomatischer Vertretungen bei der Zwangsvollstreckung. Die Vollstreckung in dieses Vermögen setze einen ausdrücklichen Verzicht auf diesen besonderen Schutz voraus. Einen solchen habe die Schuldnerin mit dem pauschalen Immunitätsverzicht in Art. 12 der Anleihebedingungen nicht erklärt, so dass die angegriffene Pfändungsmaßnahme die Grenzen überschreite, die das Völkerrecht der Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat setze.

III.

[6] Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

[7] 1. Zwar hätte über die in zulässiger Weise gem. § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO beim AG - Vollstreckungsgericht - eingelegte sofortige Beschwerde nicht das KG, sondern das LG zu entscheiden gehabt. § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG ist hier nicht anzuwenden (vgl. BGH, Beschl. v. 25.10.2006 - VII ZB 24/06, BGHReport 2007, 362 = MDR 2007, 487 = InVo 2007, 167). Dies unterliegt aber nicht der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Nach dem Regelungsgehalt der § 576 Abs. 2 ZPO, § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann nicht überprüft werden, ob das vorinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat (vgl. für die entsprechende Frage der Überprüfung der Zuständigkeit des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz BGH, Urt. v. 22.2.2005 - KZR 28/03, BGHReport 2005, 870 = NJW 2005, 1660). Der Nachprüfung ist insoweit auch die funktionelle Zuständigkeit entzogen (vgl. BGH für den Fall der Anwendung der §§ 545 Abs. 2, 513 Abs. 2 ZPO BGH, Beschl. v. 26.6.2003 - III ZR 91/03, MDR 2003, 1369 = BGHReport 2003, 1030 = NJW 2003, 2917).

[8] 2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Zwangsvollstreckung in die gepfändeten Konten ist unzulässig, weil die Schuldnerin insofern nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt.

[9] a) Die Schuldnerin genießt hinsichtlich der Ansprüche aus den gepfändeten Bankkonten diplomatische Immunität, weil diese Konten der diplomatischen Vertretung der Schuldnerin zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktion dienen.

[10] aa) Von Völkerrechts wegen darf bei Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat nicht auf die seiner diplomatischen Vertretung zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktion dienenden Gegenstände zugegriffen werden, sofern dadurch die Erfüllung der diplomatischen Tätigkeit beeinträchtigt werden könnte (BVerfG, Beschl. v. 13.12.1977 - 2 BvM 1/76, BVerfGE 46, 342, 394/395; BGH, Beschl. v. 4.10.2005 - VII ZB 8/05, BGHReport 2006, 200 = MDR 2006, 414 = NJW-RR 2006, 425, 426 = Rpfleger 2006, 133; BGH, Beschl. v. 28.5.2003 - IXa ZB 19/03, MDR 2003, 1135 = BGHReport 2003, 1041 = NJW-RR 2003, 1218, 1219 = Rpfleger 2003, 518). Bei der Beurteilung dieser Gefährdung zieht das Völkerrecht den Schutzbereich zugunsten des anderen Staates sehr weit und stellt auf die typische, abstrakte Gefahr, nicht aber auf eine konkrete Beeinträchtigung der diplomatischen Tätigkeit ab (BVerfG, a.a.O., S. 395; BGH, a.a.O.). Demgemäß sind generell die den diplomatischen und konsularischen Missionen dienenden Gegenstände unverletzlich (BVerfG, a.a.O.; BGH, a.a.O.).

[11] bb) Die Feststellung des Beschwerdegerichts, dass die gepfändeten Ansprüche der diplomatischen Vertretung der Schuldnerin zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen dienen, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

[12] Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass von der Schuldnerin von Völkerrechts wegen lediglich verlangt werden kann, glaubhaft zu machen, der gepfändete Gegenstand diene der Aufrechterhaltung der Funktionen ihrer diplomatischen Vertretung. Es wäre eine völkerrechtswidrige Einmischung in die Angelegenheiten eines fremden Staates, wenn diesem angesonnen würde, die Verwendungszwecke eines ihm gehörenden Vermögensgegenstandes näher darzulegen (BVerfG, Beschl. v. 13.12.1977 - 2 BvM 1/76, BVerfGE 46, 342, 400; BGH, Beschl. v. 4.10.2005 - VII ZB 8/05, BGHReport 2006, 200 = MDR 2006, 414 = NJW-RR 2006, 425, 426 = Rpfleger 2006, 133; BGH, Beschl. v. 28.5.2003 - IXa ZB 19/03, MDR 2003, 1135 = BGHReport 2003, 1041 = NJW-RR 2003, 1218, 1220 = Rpfleger 2003, 518 m.w.N.). Deshalb genügt es, wenn der fremde Staat durch die gehörige Versicherung eines zuständigen Organs glaubhaft macht, dass der Vermögensgegenstand unmittelbar der Aufrechterhaltung der Funktionen der diplomatischen Vertretung dient (BVerfG, a.a.O.; BGH, a.a.O., m.w.N.). Eine Überprüfung der Zwecke, zu denen der Entsendestaat ein Guthaben auf einem Konto bestimmt hat, ist nicht zulässig, denn eine solche Prüfung würde "die Gefahr des Eindringens in den internen Funktionsbereich der diplomatischen Vertretung des Entsendestaates heraufbeschwören; dies ist kraft völkerrechtlichen Gesandtschaftsrechts ohne Zustimmung des Entsendestaats schlechterdings verwehrt. Dem Entsendestaat ohne seine Zustimmung von Seiten der Vollstreckungsorgane des Empfangsstaats anzusinnen, das Bestehen oder die früheren, gegenwärtigen oder künftigen Verwendungszwecke von Guthaben auf einem solchen Konto näher darzulegen, würde ... eine völkerrechtswidrige Einmischung in die ausschließlichen Angelegenheiten des Entsendestaats darstellen" (BVerfG, a.a.O., S. 400 f.).

[13] Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Erklärung des Botschafters der Schuldnerin vom 25.3.2003 als ausreichend angesehen hat. Rechtsfehler des Beschwerdegerichts bei der tatrichterlichen Würdigung dieser Erklärung hat die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Da eine konkrete Beeinträchtigung des Botschaftsbetriebes nicht erforderlich ist, sondern die abstrakte Gefahr genügt, dass die Erfüllung der diplomatischen Tätigkeit des Entsendestaates beeinträchtigt wird, ist der Vortrag des Gläubigers zur Höhe des Guthabens der Schuldnerin auf den gepfändeten Konten ebenso unerheblich wie auch der Umstand, dass die Botschaft der Schuldnerin trotz der Pfändung ihren Betrieb weiter aufrechterhalten konnte.

[14] b) Die Schuldnerin hat hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Ansprüche nicht auf ihre Immunität verzichtet. Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass der Verzicht auf die besondere, diplomatische Immunität ausdrücklich erklärt werden muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.12.2006 - 2 BvM 9/03, WM 2007, 57, 59 ff.). Das BVerfG hat in dieser Entscheidung, die sich mit den hier relevanten Anleihebedingungen der Schuldnerin befasst, festgestellt, es gebe keine allgemeine Regel des Völkerrechts, dass ein ausländischer Staat durch einen allgemeinen, in seinen Anleihebedingungen enthaltenen Immunitätsverzicht nicht nur auf den Schutz der allgemeinen Staatenimmunität verzichte, sondern seine Zustimmung auch zur Vollstreckung in solches Vermögen erkläre, das der Aufrechterhaltung des Betriebs seiner diplomatischen Mission diene (BVerfG, a.a.O.). Zur Vollstreckung in die streitgegenständlichen Konten wäre ein ausdrücklicher Immunitätsverzicht der Schuldnerin erforderlich gewesen, der über die Erklärung in den Anleihebedingungen hinausgeht. An einem solchen Verzicht fehlt es, wie im angefochtenen Beschluss rechtsfehlerfrei im Einzelnen dargelegt ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1778989

BGHR 2007, 1151

EBE/BGH 2007

NJW-RR 2007, 1498

WM 2007, 1562

InVo 2007, 463

MDR 2007, 1282

RIW 2007, 697

Rpfleger 2007, 556

VE 2007, 177

VE 2009, 7

ZBB 2007, 390

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