Gesetzestext

 

(1) 1Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. 2Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig. 3Die Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Personen, die für Presse, Hörfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten, kann von dem Gericht zugelassen werden. 4Die Tonübertragung kann zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens teilweise untersagt werden. 5Im Übrigen gilt für den in den Arbeitsraum übertragenen Ton Satz 2 entsprechend.

(2) 1Tonaufnahmen der Verhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse können zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken von dem Gericht zugelassen werden, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt. 2Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen teilweise untersagt werden. 3Die Aufnahmen sind nicht zu den Akten zu nehmen und dürfen weder herausgegeben noch für Zwecke des aufgenommenen oder eines anderen Verfahrens genutzt oder verwertet werden. 4Sie sind vom Gericht nach Abschluss des Verfahrens demjenigen zuständigen Bundes- oder Landesarchiv zur Übernahme anzubieten, das nach dem Bundesarchivgesetz oder einem Landesarchivgesetz festzustellen hat, ob den Aufnahmen ein bleibender Wert zukommt. 5Nimmt das Bundesarchiv oder das jeweilige Landesarchiv die Aufnahmen nicht an, sind die Aufnahmen durch das Gericht zu löschen.

(3) 1Abweichend von Absatz 1 Satz 2 kann das Gericht für die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in besonderen Fällen Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts zulassen. 2Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter sowie eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen oder deren Übertragung teilweise untersagt oder von der Einhaltung von Auflagen abhängig gemacht werden.

(4) Die Beschlüsse des Gerichts nach den Absätzen 1 bis 3 sind unanfechtbar.

[Ohne Titel]

 

Rn 1

Der Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen gehört zu den tragenden Prinzipien des Rechtsstaats und ist in Art 6 Abs 1 EMRK als Voraussetzung für ein faires Verfahren niedergelegt. Die Bestimmung ist hauptsächlich für das Strafverfahren relevant, gilt aber auch für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten (§ 2 EGGVG). Verhandlungen in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind dagegen nicht öffentlich (§ 170). Neben die ursprüngliche Ausrichtung als Schutz des Angeklagten vor einem Geheimprozess tritt zunehmend die Bedeutung für das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Dem tragen auch die neueren Regelungen Rechnung, die Öffentlichkeit unter besonderen Voraussetzungen zu erweitern bis hin zu Fernsehübertragungen der Urteilsverkündung.

A. Saalöffentlichkeit.

 

Rn 2

Prozessbesucher und -beobachter müssen die Möglichkeit haben, während der Verhandlung im Gerichtssaal anwesend sein zu können (Saalöffentlichkeit, BVerfG 103, 44 = NJW 01, 1633 [BVerfG 24.01.2001 - 1 BvR 2623/95]). Damit soll in erster Linie die Kontrolle des Verfahrensgangs durch die Allgemeinheit ermöglicht werden. Die Öffentlichkeit ist gewährleistet, wenn sich jedermann ohne besondere Schwierigkeiten von dem Termin Kenntnis verschaffen kann und wenn der Zutritt iRd tatsächlichen Gegebenheiten eröffnet ist (BVerfG NJW 02, 814 [BVerfG 10.10.2001 - 2 BvR 1620/01], BGH NJW 89, 1741). Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist verletzt, wenn dem Gericht bekannte Umstände Besuchern den Eindruck vermitteln, ihnen sei der Zutritt verwehrt, etwa durch ein Schild ›Nicht öffentlich‹ (Celle NStZ 12, 654). Auf einen Wechsel des Sitzungssaals ist hinzuweisen (Dresden StV 09, 682). Einlasskontrollen verstoßen nicht gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz (OVG Berlin-Brandbg NJW 10, 1620 [OVG Berlin-Brandenburg 26.03.2010 - OVG 3 N 33.10]) und bedürfen auch keiner Einzelfallprüfung (BGH NJW 10, 533). Auch die ständige Videoüberwachung des Eingangsbereichs des Gerichts stellt keinen Verstoß dar (LG Itzehoe NJW 10, 3525 [LG Itzehoe 02.06.2010 - 1 T 61/10]; aM VG Wiesbaden NJW 10, 1220 [VG Wiesbaden 20.01.2010 - 6 K 1063/09.WI]).

 

Rn 2a

In Ausübung des Hausrechts getroffene Maßnahmen aus Anlass der Covid-19-Pandemie dienen der Gewährleistung der Sicherheit im Gerichtsgebäude und verstoßen als solche nicht gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung (OVG Schleswig 22.7.20 – 5 LA 223/20, NJW 20, 3127). Die Datenerfassung aus Gründen des Gesundheitsschutzes stellt für Besucher einer Gerichtsverhandlung eine hinzunehmende Beeinträchtigung dar, die den Zugang zum Gerichtssaal für die jew Betroffenen obendrein allenfalls psychisch, nicht aber ph...

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