1. Grundkonstellation.

 

Rn 4

Die Rechtswirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs wird nicht dadurch berührt, dass er vor einem nicht zuständigen oder nicht ordnungsgem besetzten Gericht abgeschlossen worden ist (grdl BGH NJW 61, 1817 [BGH 28.06.1961 - V ZR 29/60]; zust Redeker/v. Oertzen § 106 Rz 5). Der Einwand der Verletzung des gesetzlichen Richters kann auch im Nachhinein ggü einer Vollstreckung aus dem Vergleich nicht mit Erfolg erhoben werden. Das verdeutlicht der Wortlaut des § 794 I Nr 1 ZPO, der lediglich verlangt, dass der Vergleich ›vor einem deutschen Gericht‹, also notwendig nicht einmal im durch die Rechtsordnung vorgesehenen Rechtsweg, geschlossen wurde. Das ist konsequent, da – unabhängig von den oftmals wesentlichen gerichtlichen Hinweisen und Ratschlägen iRd Vergleichsgesprächs – der Prozessvergleich in seiner Prozess beendenden Wirkung allein auf den einvernehmlichen Willensbekundungen der Parteien beruht und den die Erklärungen aufnehmenden Richtern nur beurkundende Funktion zukommt (BGH NJW 86, 1348, Vergleich nach nicht ordnungsgem Übertragung auf einen Einzelrichter; Sodan/Ziekow/Dolderer § 106 Rz 36). Daher kommt es insoweit auch nicht entscheidend darauf an, ob den Vergleich schließenden Verfahrensbeteiligten die fehlende Zuständigkeit des Richters bekannt war oder nicht.

2. Erleichterter Vergleichsabschluss.

 

Rn 5

Die genannten Grundsätze gelten auch für die inzwischen in den Prozessordnungen vorgesehenen Erleichterungen des Abschlusses von Prozessvergleichen im schriftlichen Verfahren insb durch die Annahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags (§ 278 VI ZPO). Die dabei vorgegebene Form eines Beschlusses für den gerichtlichen Vorschlag (etwa § 106 S 2 VwGO) oder für die Feststellung des Inhalts des zustande gekommenen Vergleichs (§ 278 VI 2 ZPO) mit entspr Anwendung der Regeln über die Protokollberichtigung (S 3 iVm § 164 ZPO), der allerdings anders als das gerichtliche Protokoll die notarielle Form rechtsgeschäftlicher Erklärungen (§§ 127a, 925 I 3 BGB) nicht ersetzen kann (Celle NJW 13, 2979 [OLG Celle 14.06.2013 - 4 W 65/13], str, dazu § 278 ZPO Rn 22), rechtfertigt es nicht, diese Handlung inhaltlich als eine originär richterliche Streitentscheidung einzustufen. Auch in diesen Fällen bleibt die Verfahrensbeendigung Ausfluss der Dispositionsbefugnis der Parteien über den Streitgegenstand, wobei die Wirksamkeit ihrer Betätigung nicht von der Erfüllung der gerichtsbezogenen Prozessvoraussetzungen abhängig gemacht werden kann.

3. Auseinandersetzungen um die Wirksamkeit von Vergleichen.

 

Rn 6

Probleme ergeben sich im Zusammenhang mit der Frage, welches Gericht bzw welcher Richter bei einem Streit um die (anfängliche) Unwirksamkeit des Vergleichs, letztlich also um die Frage einer Fortsetzung des Verfahrens in derselben Instanz, zur Entscheidung berufen ist. Beschränken sich die Einwände auf den Verstoß gegen § 16 GVG (Art 101 I GG), so dürfte eine (ablehnende) Entscheidung durch das protokollierende Gericht (Richter) konsequent sein, zumindest wenn den Beteiligten dessen Unzuständigkeit bei Vergleichsabschluss bewusst war (str, vgl etwa Redeker/v. Oertzen § 106 Rz 15, der darauf verweist, dass die Feststellung der Beendigung des Verfahrens durch den Vergleich durch ›Sachurteil‹ ergehe). Werden daneben anderweitige materielle Einwendungen gegen die (anfängliche) Wirksamkeit des Vergleichs erhoben, etwa Fehler bei der Protokollierung (§§ 160 III Nr 1, 162 I 1 ZPO), bewegt sich das Gericht wie bei der Entscheidung über ohnehin in einem neuen Verfahren geltend zu machende nachträgliche Einwände gegen die Wirksamkeit des Vergleichs, etwa Rücktritt oder Wegfall der Geschäftsgrundlage, allerdings nicht mehr – wie bei der reinen Protokollierung – außerhalb des Bereichs der Streitentscheidung. Das Gebot des gesetzlichen Richters verlangt hier wieder uneingeschränkte Beachtung. Entspr dürfte im Erg gelten, wenn die Verfahrensbeteiligten – wie in der Praxis häufig – den vor dem unerkannt nicht zuständigen Gericht geschlossenen Vergleich auf die Hauptsache beschränkt und die Nebenentscheidung über die Kosten dem Gericht vorbehalten haben, da insoweit häufig die Beurteilung der materiellen Prozessaussichten entscheidende Bedeutung erlangt.

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