Gesetzestext

 

(1) Ist das angerufene Gericht örtlich oder sachlich unzuständig, hat es sich, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, durch Beschluss für unzuständig zu erklären und die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen. Vor der Verweisung sind die Beteiligten anzuhören.

(2) Sind mehrere Gerichte zuständig, ist die Sache an das vom Antragsteller gewählte Gericht zu verweisen. Unterbleibt die Wahl oder ist das Verfahren von Amts wegen eingeleitet worden, ist die Sache an das vom angerufenen Gericht bestimmte Gericht zu verweisen.

(3) Der Beschluss ist nicht anfechtbar. Er ist für das als zuständig bezeichnete Gericht bindend.

(4) Die im Verfahren vor dem angerufenen Gericht entstehenden Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht anfallen.

A. Zweck der Vorschrift.

 

Rn 1

Abs 1 S 1 regelt wie § 281 Abs 1 S 1 ZPO und § 17a Abs 2 S 2 GVG das Verfahren, falls die sachliche oder örtliche Zuständigkeit von Anfang an fehlt. Abs 2 S 1 entspricht § 281 Abs 1 S 2 ZPO, Abs 3 S 1 dem § 281 Abs 2 S 2 ZPO und Abs 3 S 2 dem § 281 Abs 2 4 ZPO. § 3 Abs 4 ist § 281 Abs 3 S 1 ZPO nachgebildet. § 3 soll zur Harmonisierung der Prozessordnungen beitragen (Begr zu § 3 RegE in BTDrs 16/6308, S 175) und ein transparentes und rechtsstaatliches Verfahren ermöglichen.

B. Geltungsbereich.

 

Rn 2

§ 3 gilt in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Familiensachen, gem § 113 Abs 1 S 1 aber nicht in Ehe- und Familienstreitsachen.

C. Verweisung bei Unzuständigkeit.

I. Erfasste Unzuständigkeiten.

 

Rn 3

Abs 1 S 1 gilt wie § 281 Abs 1 S 1 ZPO nur bei ursprünglicher sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts, nicht aber bei funktioneller oder internationaler Unzuständigkeit. Es ist somit nur eine Verweisung an inländische Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit möglich (Prütting/Helms/Prütting § 3 Rz 4).

II. Entscheidung über die Verweisung.

1. Verfahren und Form.

 

Rn 4

Das angerufene Gericht entscheidet im Fall seiner Unzuständigkeit (oben Rn 3) auch in Antragsverfahren (KG FGPrax 11, 260 [KG Berlin 04.08.2011 - 1 W 509/11]) vAw über die Verweisung (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller § 3 Rz 4). Die Entscheidung ergeht nach Abs 1 S 1 in Form eines Beschlusses, der keine Endentscheidung iSd § 38 Abs 1 darstellt, weil er nach Abs 3 S 1 nicht anfechtbar ist.

2. Anhörung der Beteiligten.

 

Rn 5

Nach Abs 1 S 2 muss den Beteiligten (§ 7) vor der Verweisung rechtliches Gehör gewährt werden. Die Bestimmung konkretisiert den Anspruch auf rechtliches Gehör in Art 103 Abs 1 GG. Anzuhören sind nur die Beteiligten, die dem Gericht zur Zeit der Verweisung bekannt sind; es besteht daher vor der Verweisung keine Pflicht zur Ermittlung aller Beteiligten. Ggf kann dies auch dem Antragsteller auferlegt werden (Begr zu § 3 RegE in BTDrs 16/6308, S 175). Eine Verweisung ohne vorherige Anhörung ist nicht bindend (Brandbg FamRZ 19, 1729 f; Karlsr NJW-RR 13, 1354).

3. Inhalt der Entscheidung.

 

Rn 6

Falls eine Verweisung an mehrere zuständige Gerichte in Betracht kommt, ist die Angelegenheit an das von dem ASt gewählte Gericht zu verweisen (Abs 2 S 1). Der ASt sollte diese Wahl mit der Anregung auf Vornahme der Verweisung verbinden (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller § 3 Rz 6). Unterbleibt dies, hat das angerufene Gericht nach Abs 2 S 2 die Bestimmung der Zuständigkeit vorzunehmen.

III. Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses.

 

Rn 7

Nach Abs 3 S 1 ist der Verweisungsbeschluss nicht anfechtbar, um das Verfahren zu beschleunigen (Begr zu § 3 RegE in BTDrs 16/6308, S 175). Die außerordentliche Beschwerde ist jedoch statthaft, wenn der Verweisungsbeschluss wegen objektiver Willkürlichkeit (dazu Rn 8) keine Bindungswirkung entfaltet (KG FGPrax 22, 189 [KG Berlin 15.03.2022 - 1 AR 9/22]; Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller § 3 Rz 8; Bruns NZFam 20, 54).

IV. Bindungswirkung.

 

Rn 8

Nach Abs 2 S 2 ist der Verweisungsbeschluss auch bei Rechtsirrtum, Verfahrensfehlern oder Abweichung von einer nahezu einhelligen Rechtsauffassung (BGH ZIP 98, 792, 793) für das als zuständig erklärte Gericht bindend. Die Bindungswirkung entfällt allerdings nicht durch eine auf einem bloßen Rechtsirrtum beruhende fehlerhafte Entscheidung des verweisenden Gerichts (Hambg AG 18, 353, 354). Dies gilt nicht, wenn der Verweisungsbeschluss willkürlich ist, es ihm also an jeder rechtlichen Grundlage fehlt (Begr zu § 3 RegE in BTDrs 16/6308, S 175), weil er keinerlei Begründung enthält und auch die Akten nicht erkennen lassen, auf welchen Erwägungen die Entscheidung beruht (KG MDR 93, 176). Die Entscheidung muss also objektiv rechtswidrig sein, jeder gesetzlichen Grundlage entbehren (BGH MDR 02, 1446) oder auf einer Versagung des rechtlichen Gehörs beruhen (BGH NZI 06, 164 [BGH 13.12.2005 - X ARZ 223/05]). Das ist insb dann der Fall, wenn sich der Verweisungsbeschluss bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist (also nicht mehr verständlich oder nicht vertretbar ist, Brandbg FGPrax 19, 267f [OLG Saarbrücken 20.08.2019 - 5 W 43/19]). Ein inhaltlich fehlerhafter oder sonst unrichtiger Beschluss genügt diesen Voraussetzungen nicht (Braunschw Rpfleger 22, 689 [OLG Braunschweig 07.02.2022 ...

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