Gesetzestext

 

(1) Das Gericht kann das Verfahren aus wichtigem Grund aussetzen, insbesondere wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. § 249 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(2) Der Beschluss ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

A. Zweck der Vorschrift.

 

Rn 1

Die Vorschrift regelt die Aussetzung von Verfahren.

B. Geltungsbereich.

 

Rn 2

Abs 1 ist in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Familiensachen anwendbar, sofern nicht Spezialvorschriften vorgehen und die Aussetzung der Eigenart des jeweiligen Verfahrens entspricht (Begr zu § 21 RegE in BTDrs 16/6308, S 184). Nicht anwendbar ist die Bestimmung in den Antragsverfahren der §§ 13 ff GBO (Hügel/Holzer § 1 Rz 109) und §§ 23 ff SchRegO sowie in Ehe- und Familienstreitsachen (§ 113 Abs 1 S 1).

 

Rn 3

Dem § 21 vorgehende Spezialvorschriften bestehen für das Scheidungsverfahren (§ 136 Abs 1 S 1), das Versorgungsausgleichsverfahren (§ 221 Abs 2), das Unterbringungsverfahren (§ 328 Abs 1 S 1), das Freiheitsentziehungsverfahren (§ 424 Abs 1 S 1), das Teilungsverfahren (§ 370 S 1) und das Registerverfahren (§ 381 S 1). Sofern diese Spezialvorschriften nicht eingreifen, kann eine Aussetzung unter den Voraussetzungen des § 21 gleichwohl möglich sein (Prütting/Helms/Holzer § 381 Rz 2).

C. Voraussetzungen der Aussetzung.

I. Wichtiger Grund.

 

Rn 4

Die Aussetzung setzt einen ›wichtigen Grund‹ voraus. Als Regelbeispiel nennt das Gesetz die ›Vorgreiflichkeit‹ eines anderen Verfahrens, die dann gegeben ist, wenn die in dem Verfahren zu treffende Entscheidung ganz oder zT von dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses in einem anderen anhängigen Verfahren abhängig ist (BGH Rpfleger 90, 464, 465 [BGH 02.07.1990 - II ZB 1/90]), das im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Rechtsbeziehungen der Beteiligten betreffen und tatsächliche oder rechtliche Fragen zum Gegenstand haben muss. Das auszusetzende Verfahren muss nicht von dem Ausgang des anderen Verfahrens abhängen; es genügt daher nicht, wenn dieses lediglich Einfluss auf das auszusetzende Verfahren hat (Hamm RdL 22, 316; Prütting/Helms/Ann-Roth § 21 Rz 8).

 

Rn 5

Als ›wichtiger Grund‹ gelten gerichtliche Mediationsverfahren (Begr zu § 21 RegE in BTDrs 16/6308, S 184) oder vorgreifliche Zivilprozesse (zu weiteren Fällen Holzer/Holzer § 21 Rz 5). Eine Aussetzung kommt auch in Betracht, wenn das Gericht dem BVerfG ein Gesetz nach Art 100 Abs 1 GG vorlegt oder wenn ein Fall des Art 110 Abs 2 GG bzw 126 GG gegeben ist (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller § 21 Rz 2). Auch die COVID-19-Pandemie kann einen wichtigen Grund für eine Aussetzung des Verfahrens darstellen, insb, wenn eine Entscheidung nur nach persönlicher Anhörung der Beteiligten möglich ist (AG Frankfurt FamRZ 20, 481f). Kein wichtiger Grund für eine Aussetzung des Abstammungsverfahrens liegt während des Schwebezustands nach § 181 nach dem Tod eines Beteiligten vor (Oldbg Beschl v 13.1.20 – 11 WF 397/19, juris).

II. Mehrere Beteiligte.

 

Rn 6

Eine Aussetzung ist nur möglich, wenn mehrere Beteiligte iSd § 7 vorhanden sind (BayObLG MDR 88, 868).

III. Rechtsverhältnis.

 

Rn 7

Nach Abs 1 muss die Entscheidung des Gerichts ganz oder teilw von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängen, das den Gegenstand eines anderen ›anhängigen Verfahrens‹ bildet. Das ist nur dann der Fall, wenn es sich um einen Rechtsstreit oder um ein Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde handelt. Eine Aussetzung ist also bei außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen nicht möglich.

D. Verfahren.

I. Ablauf des Aussetzungsverfahrens.

 

Rn 8

Die Aussetzung des Verfahrens ist vAw zu prüfen (§ 26); dabei ist nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob die Gründe für eine Aussetzung (oben Rn 4 f) vorliegen (Begr zu § 21 RegE in BTDrs 16/6308, S 184). Das Gericht ist an die Zustimmung des ASt nicht gebunden (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller § 21 Rz 1) und soll die Eigenart des jeweiligen Verfahrens und die Interessen der Beteiligten berücksichtigen. Die Eilbedürftigkeit der Entscheidung kann der Aussetzung entgegenstehen (zB in Freiheitsentziehungsverfahren, Begr zu § 21 RegE in BTDrs 16/6308, S 184). Der Beschluss über die Aussetzung oder deren Ablehnung muss eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten (§ 39).

II. Wirkung der Aussetzung.

 

Rn 9

Die Wirkungen der Aussetzung richten sich nach Abs 1 S 2 iVm § 249 ZPO. Gem § 249 Abs 1 hört jede Frist (§ 16) zu laufen auf und beginnt erst nach Beendigung der Aussetzung von neuem zu laufen, es sei denn, sie ist vorher abgelaufen. Nach § 249 Abs 2 ZPO sind die während der Aussetzung vorgenommenen Prozesshandlungen den anderen Beteiligten gegenüber ohne rechtliche Wirkung. Das Gericht hat diese Handlungen als unwirksam zu betrachten. Die Einlegung von Rechtsmitteln ist jedoch wirksam (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller § 21 Rz 4).

III. Folgen der Aussetzung.

 

Rn 10

Eine Bindung an eine über die vortreffliche Rechtsfrage getroffene rechtskräftige Entscheidung des Prozessgerichts besteht nicht. Für rechtsgestaltende Entscheidungen gilt...

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