Rn 15

Gem § 319 I hat das Gericht das betroffene Kind vor einer Unterbringungsmaßnahme persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm und seinen Lebensumständen zu verschaffen. Die Anhörung des Betroffenen nach § 319 I nach Einholung des Sachverständigengutachtens und vor der Entscheidung über die Unterbringung (BGH FamRZ 12, 1556) gehört zu den wesentlichen Förmlichkeiten iSv Art 104 I 1 GG. Verfahrensfehler bei der Durchführung der Anhörung verletzen den Betroffenen deshalb nicht nur in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art 103 I GG, sondern auch in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art 104 I 1 GG (BGH FamRZ 11, 805). Die Vorschrift des § 159, insb hinsichtlich der sich (seit dem 1.7.21) noch aus Abs 2 ergebenden Ausnahmen von der gebotenen Anhörung findet keine Anwendung (MüKoFamFG/Heilmann § 167 Rz 11; Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 24; Dutta/Jacoby/Schwab/Zorn/Ivanits § 167 Rz 27). Diese Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach § 68 III 1 grds auch im Beschwerdeverfahren (BGH FamRZ 19, 1181; MüKoFamFG/Heilmann § 167 Rz 11). Die Übertragung der Anhörung auf ein Mitglied des Beschwerdesenats kommt nicht in Betracht, wenn es wegen der Besonderheiten des Falles für die Entscheidung darauf ankommt, dass sich der gesamte Senat einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen verschafft (BGH FamRZ 16, 1446; 17, 996; 18, 1594); jeweils für die Beschwerdekammer am LG in Betreuungssachen), was regelmäßig der Fall ist. Wegen der zentralen Bedeutung der persönlichen Anhörung des Betroffenen im Unterbringungsverfahren ist seine Anhörung im Wege der Rechtshilfe nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich, wenngleich der Wortlaut des § 319 IV dies nicht völlig ausschließt. Macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, die nach § 319 I notwendigen Verfahrenshandlungen im Wege der Rechtshilfe vornehmen zu lassen, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in nachprüfbarer Weise darlegen (BGH FamRZ 18, 1361; 17, 996; 16, 804; Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 24; MüKoFamFG/Heilmann § 167 Rz 11; Heilmann/Heilmann § 167 Rz 21; Dutta/Jacoby/Schwab/Zorn/Ivanits § 167 Rz 27). Die Anhörung soll gem § 319 Abs 1 S 2 in der üblichen Umgebung des Kindes erfolgen; ist die Unterbringung im Wege der einstweiligen Anordnung vor Anhörung des Kindes genehmigt worden, findet die Anhörung regelmäßig in der Einrichtung statt, in er sich das Kind befindet. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Anhörung sieht § 319 II vor, dass das Gericht den Betroffenen über den möglichen Verlauf des Verfahrens unterrichtet. IÜ sind die Wertungen des § 159 IV zu berücksichtigen. Das Kind soll in einer seinem Alter entsprechenden Weise informiert werden, soweit nicht Nachteile für seine Erziehung oder Gesundheit zu befürchten sind, § 159 IV 1 (MüKoFamFG/Heilmann § 167 Rz 13; Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 25; Heilmann/Fink § 167 Rz 22; Dutta/Jacoby/Schwab/Zorn/Ivanits § 167 Rz 30). Der Verfahrensbeistand nimmt regelmäßig an der Anhörung teil, vgl § 159 IV 3 (vgl MüKoFamFG/Heilmann § 159 Rz 13; BGH FamRZ 11, 805).

 

Rn 16

Die persönliche Anhörung darf nach § 34 II nur dann unterbleiben, wenn hiervon erhebliche Nachteile für die Gesundheit des Kindes zu befürchten sind. Die Entscheidung hierüber kann nur auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens erfolgen, § 319 III (Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 24; MüKoFamFG/Heilmann § 167 Rz 12; Dutta/Jacoby/Schwab/Zorn/Ivanits § 167 Rz 27). Ein ärztliches Attest reicht nicht (Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 24).

 

Rn 17

Verweigert das Kind seine Anhörung, kann es durch das Jugendamt als zuständige Behörde vorgeführt werden, § 319 V (Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 24; Heilmann/Fink § 167 Rz 21; Dutta/Jacoby/Schwab/Zorn/Ivanits § 167). Handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Unterbringung iSv § 151 Nr 7 wird die zuständige Behörde durch das jeweilige Landesrecht bestimmt.

 

Rn 18

Uneinheitlich wird beurteilt, ob die Einwilligung des minderjährigen, insb verfahrensfähigen Kindes in die Maßnahme das Genehmigungserfordernis entfallen lässt. Überwiegend wird vertreten, dass eine Einwilligung das Genehmigungserfordernis nicht entfallen lässt (Grüneberg/Götz § 1631b Rz 2; Staud/Salgo § 1631b Rz 8; ders FPR 11, 546; Erman/Döll § 1631b Rz 3a; Heilmann/Fink § 1631b Rz 4; Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 26 f; Vogel FF 18, 356, 358; ders FamRZ 15, 1, 4; Gollwitzer/Rüth FamRZ 96, 1388, 1390; Naumbg JAmt 13, 48); demgegenüber wird auf das Vorliegen einer hinreichenden Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen abgestellt (MüKoFamFG/Heilmann § 167 Rz 36; MüKoBGB/Spickhoff § 1800 Rz 28 f; Reske FamRB 17, 400; Kirsch FamRZ 19, 933, 936). Nach aA soll es ausreichend sein, dass der natürliche Wille des Minderjährigen der Maßnahme nicht entgegensteht (Hoffmann FamRZ 13, 1346, 1347; jurisPK-BGB/Veit § 1631b Rz 3). Der erstgenannten Auffassung ist schon deshalb zu folgen, um Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Einsichtsfähigkeit des betroffenen Minderjährigen zu vermeiden, zumal diese Minderj...

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