Rn 30

Fraglich ist, ob VKH für das gerichtliche Verfahren nach § 155a auch dann bewilligt werden kann, wenn nicht zuvor außergerichtlich versucht worden ist, die Möglichkeit der Beurkundung einer gemeinsamen Sorgeerklärung vor der Urkundsperson des Jugendamts nach §§ 59 I 1 Nr 8, 87e SGB VIII) abzuklären oder ob die sofortige Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens dann mutwillig iSv § 76 I iVm § 114 II ZPO ist. Die Situation ist vergleichbar mit der Frage, ob ein Antrag auf gerichtliche Umgangsregelung ohne vorherige Inanspruchnahme des Jugendamts mitwillig ist und wird in Rspr und Lit uneinheitlich beurteilt (zum Streitstand die Kommentierung zu § 76, zB in FAKomm-FamR/Jokisch § 76 Rz 89 mwN; Jokisch FuR 16, 33; MüKoFamFG/Schumann § 155a Rz 7; Dutta/Jacoby/Schwab/Zorn § 155a Rz 17). Um sicher zu gehen, sollte der ASt schon in dem Antrag mitteilen, weshalb keine Inanspruchnahme des Jugendamts erfolgt ist. Ist dies nachvollziehbar, weil bspw die Mutter bereits eine außergerichtliche Regelung abgelehnt hat, muss VKH bewilligt werden. Es existiert jedenfalls kein Erfahrungssatz, wonach ein bemittelter Prozessbeteiligter zunächst die gefundene Regelung im Umgangsverfahren in der Praxis umsetzen und hierbei eine Verbesserung des Verhältnisses auf der Elternebene abwarten würde (BVerfG FamRZ 20, 1559, zugleich auch zu den an die hinreichende Erfolgsaussicht zu stellenden Anforderungen und zu der Frage, wie die getrenne Einleitung eines Sorge- und Umgangsverfahrens zu beurteilen ist).

 

Rn 31

Problematisch ist, ob einem Elternteil zur Wahrnehmung seiner Interessen gem § 78 II ein Anwalt beigeordnet werden kann. Die Beiordnung erfolgt nur dann, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint. Überwiegend wird für den ASt die Beiordnung eines Anwalts erst dann für erforderlich gehalten, wenn der Antragsgegner kindeswohlrelevante Gründe gegen die Übertragung der gemeinsamen Sorge vorbringt und nach Abs 4 zu verfahren ist (zB Frankf FamRZ 21, 967). Dem Antragsgegner (im Regelfall die Mutter des Kindes) wird demgegenüber regelmäßig ein Anwalt beigeordnet werden können, weil ihm die Darlegungslast hinsichtlich der kindeswohlrelevanten Gründe obliegt (vgl hierzu Dutta/Jacoby/Schwab/Zorn § 155a Rz 17 mwN; MüKoFamFG/Schumann § 155a Rz 8; weitergehend wird auf die Kommentierung zu § 78 verwiesen (zB FAKomm-FamR/Jokisch § 78 Rz 19 f; dies FuR 16, 33).

 

Rn 32

Der Wert des Verfahrens ist nach § 45 I Nr 1 FamGKG für die seit dem 1.1.21 anhängig gewordenen Verfahren (§ 63 I 1 FamGKG iVm Art 2 I Nr 4 KostRÄG) regelmäßig in Höhe von 4.000 EUR festzusetzen, wenngleich – gerade im vereinfachten Verfahren nach § 155a III – eine Absenkung nach § 45 III FamGKG in Betracht kommen kann (vgl MüKoFamFG/Schumann § 155a Rz 35 mwN; zurückhaltend Bahrenfuss/Schlemm § 155a Rz 16). Für das Verfahren entsteht eine Gebühr nach FamGKG-KV Nr 1310, die gem § 14 III FamGKG vor Zustellung des Antrags erhoben werden kann. Für die Beurkundung der Sorgeerklärungen zur Niederschrift des Gerichts nach § 155a V entstehen keine Gebühren. Für die Gebühren des Rechtsanwalts gelten die allgemeinen Bestimmungen nach Teil 3 RVG-VV; für die Teilnahme an einem Erörterungstermin steht dem Anwalt eine Terminsgebühr nach RVG-VV Nr. 3104 zu.

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