Rn 10

Ist eine Ehesache nicht anhängig, ist das örtlich zuständige Gericht nach § 152 II zu bestimmen. Maßgebend ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes im Unterschied zur vorherigen Regelung in § 621 II 2 ZPO aF, die auf den Wohnsitz des Kindes abstellte (vgl zB Zö/Philippi, ZPO, 27. Aufl, § 621 Rz 90).

 

Rn 11

Der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes ist unabhängig vom gewöhnlichen Aufenthalt des sorgeberechtigten Elternteils zu bestimmen. Im Unterschied zu einem einfachen oder schlichten Aufenthalt darf die Aufenthaltsdauer nicht gering oder vorübergehend sein (Hamm FamRZ 11, 395). Er ist dort, wo sich der Lebensmittelpunkt des Kindes befindet, also, wo es sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass es an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt, und wo der Schwerpunkt seiner persönlichen Bindungen liegt, wo also eine Integration des Kindes in ein soziales und familiäres Umfeld zu erkennen ist (BGH FamRZ 97, 1070; Köln FamRZ 12, 1406; KG FamRZ 14, 787; vgl zum gewöhnlichen Aufenthalt eines Säuglings EuGH FamRZ 11, 617). Das ist regelmäßig also bei dem Elternteil, in dessen Obhut es lebt und der die Betreuung übernimmt (FAKomm-FamR/Ziegler § 152 Rz 7; Musielak/Borth/Borth/Grandel § 152 Rz 6). Mit zunehmenden Alter des Kindes kommt es daneben aber auch auf seine eigene soziale Eingliederung, bspw in Kita und Schule, Sportvereine usw, an (Brandbg FamRZ 16, 2028; Prütting/Helms/Hammer § 152 Rz 16 mwN). Problematisch kann die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts bei Geschwisterkindern sein, die getrennt bei Mutter und Vater in unterschiedlichen Gerichtsbezirken leben, wenn die Eltern jeweils zB einen Sorgeantrag stellen. Der Gesetzgeber hat auf eine Regelung verzichtet und ausdrücklich auf die Möglichkeit der Abgabe des Verfahrens nach § 4 hingewiesen, wobei das Gericht des jüngsten Kindes letztlich zuständig sein sollte (vgl § 36 I 2 FGG aF). Im Falle eines Wechsels des Aufenthaltsorts wird ein gewöhnlicher Aufenthalt an dem neuen Ort grds schon dann begründet, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Aufenthalt an diesem Ort auf längere Zeit angelegt ist und der neue Aufenthaltsort künftig anstelle des bisherigen Daseinsmittelpunkt sein soll (BGH FamRZ 93, 798; Köln FamRZ 12, 1406; Dresd ZKJ 14, 295; Hamm FamRZ 16, 1391). Der Aufenthalt des Kindes mit der Mutter in einem Frauenhaus begründet regelmäßig keinen gewöhnlichen Aufenthalt (Hamm FamRZ 21, 1126; Karlsr FamRZ 18, 1168), weil er nicht auf Dauer angelegt ist. Lässt sich bei einer Betreuung des Kindes im paritätischen Wechselmodell ein Schwerpunkt der Betreuung bei einem Elternteil nicht ausmachen und sind auch sonst keine überwiegenden Bindungen oder Aktivitäten bei einem Elternteil erkennbar, wird hilfsweise auf den von dem Eltern bestimmten Hauptwohnsitz des Kindes abgestellt werden können, auch wenn das nicht der Regelung entspricht. Der gewöhnliche Aufenthalt fremduntergebrachter Kinder in einer Jugendhilfeeinrichtung, Pflegefamilie usw kann – abgesehen davon, dass er von einer gewissen Dauer sein muss (vgl Hamm MDR 22, 374: Bereitschaftspflegefamilie) – grds nur angenommen werden, wenn die sorgeberechtigten Eltern (Hamm FamRZ 11, 395: Aufenthalt beim Vater nach Inobhutnahme durch das Jugendamt ohne Zustimmung der allein sorgeberechtigten Mutter) oder aber der bestellte Ergänzungspfleger oder Vormund hiermit einverstanden sind. Ist der Verbleib eines Kindes in einer Einrichtung deshalb ungewiss, weil den Eltern das Sorgerecht nur vorläufig (im Wege eines einstweiligen Anordnungsverfahrens) entzogen wurde und das Verfahren in der Hauptsache noch nicht abgeschlossen ist, kann ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht begründet werden (Hamm FamRZ 13, 2004). Dem Geheimhaltungsinteresse eines Elternteils oder des Kindes kann erforderlichenfalls durch eine Anschriftensperre oder aber die Versagung von Akteneinsicht nach § 13 Rechnung getragen werden (vgl auch Brandbg FamRZ 16, 2028: weiterer Umzug nach Verfahrenseinleitung in einen anderen Gerichtsbezirk, der die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts unberührt lässt).

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