Zusammenfassung

 

Art. 64 Brüssel Ia-VO0 Unbeschadet günstigerer innerstaatlicher Vorschriften können Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben und die vor den Strafgerichten eines anderen Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, wegen einer fahrlässig begangenen Straftat verfolgt werden, sich von hierzu befugten Personen vertreten lassen, selbst wenn sie persönlich nicht erscheinen. Das Gericht kann jedoch das persönliche Erscheinen anordnen; wird diese Anordnung nicht befolgt, so braucht die Entscheidung, die über den Anspruch aus einem Rechtsverhältnis des Zivilrechts ergangen ist, ohne dass sich der Angeklagte verteidigen konnte, in den anderen Mitgliedstaaten weder anerkannt noch vollstreckt zu werden.

 

Rn 1

Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit der besonderen Zuständigkeitsvorschrift des Art 7 Nr 3 für Adhäsionsklagen zu betrachten. Satz 1 schützt das Recht, sich ohne persönliches Erscheinen verteidigen zu lassen, sofern es sich um ein Strafverfahren über eine fahrlässige Straftat in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzmitgliedstaat des Angeklagten handelt, in welchem auch die zivilrechtliche Haftung des Angeklagten Gegenstand ist. Die Beschränkung auf fahrlässige Taten wird verbreitet rechtspolitisch kritisiert (vgl nur BGH EuZW 99, 26, 28 [BGH 04.12.1997 - IX ZB 23/97]).

 

Rn 2

Auch soweit das Gericht nach S 2 Hs 1 das persönliche Erscheinen anordnen kann, muss das Urt bei Nichtbefolgung dieser Anordnung und daraus resultierender fehlender Verteidigungsmöglichkeit in anderen Mitgliedstaaten weder anerkannt noch vollstreckt werden (Hs 2). Dass die EuGVO dies nicht verlangt, heißt jedoch nicht zwingend, dass andere Mitgliedstaaten durch die Verordnung an der Anerkennung und Vollstreckung gehindert würden. Verbreitet wird daher angenommen, dass mangels Ausfüllung dieses Spielraums durch den nationalen Gesetzgeber aus der Verordnung ein Ermessen des Gerichts des Zweitstaates bestehe (Kropholler/v Hein Art 61 Rz 3; Rauscher/Staudinger Rz 2; Schlosser/Hess Rz 2; aA Geimer/Schütze/Geimer Art 61 Rz 10). Zwar knüpft S 2 an ein Adhäsionsverfahren iSd S 1 an und erfasst damit ebenfalls nur fahrlässige Taten. Daraus kann aber kein Umkehrschluss gezogen werden, dass Art 64 für ein Urt im Adhäsionsverfahren bzgl vorsätzlicher Taten eine Ordre-Public-Kontrolle nach Art 45 I lit a ausschlösse (EuGH C-7/98 – Krombach NJW 00, 1853; HK-ZPO/Dörner Rz 3).

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