Zusammenfassung

 

Art. 7 Brüssel Ia-VO0 Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1.
a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;
b)

im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung

  • für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;
  • für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;
c) ist Buchstabe b) nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a);
2. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;
3. wenn es sich um eine Klage auf Schadenersatz oder auf Wiederherstellung des früheren Zustands handelt, die auf eine mit Strafe bedrohte Handlung gestützt wird, vor dem Strafgericht, bei dem die öffentliche Klage erhoben ist, soweit dieses Gericht nach seinem Recht über zivilrechtliche Ansprüche erkennen kann;
4. wenn es sich um einen auf Eigentum gestützten zivilrechtlichen Anspruch zur Wiedererlangung eines Kulturguts im Sinne des Artikels 1 Nummer 1 der Richtlinie 93/7/EWG handelt, der von der Person geltend gemacht wurde, die das Recht auf Wiedererlangung eines solchen Gutes für sich in Anspruch nimmt, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich das Kulturgut zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts befindet;
5. wenn es sich um Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung handelt, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich diese befindet;
6. wenn es sich um eine Klage gegen einen Begründer, Trustee oder Begünstigten eines Trust handelt, der aufgrund eines Gesetzes oder durch schriftlich vorgenommenes oder schriftlich bestätigtes Rechtsgeschäft errichtet worden ist, vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Trust seinen Sitz hat;
7.

wenn es sich um eine Streitigkeit wegen der Zahlung von Berge- und Hilfslohn handelt, der für Bergungs- oder Hilfeleistungsarbeiten gefordert wird, die zugunsten einer Ladung oder einer Frachtforderung erbracht worden sind, vor dem Gericht, in dessen Zuständigkeitsbereich diese Ladung oder die entsprechende Frachtforderung

a) mit Arrest belegt worden ist, um die Zahlung zu gewährleisten, oder
b) mit Arrest hätte belegt werden können, jedoch dafür eine Bürgschaft oder eine andere Sicherheit geleistet worden ist;

diese Vorschrift ist nur anzuwenden, wenn behauptet wird, dass der Beklagte Rechte an der Ladung oder an der Frachtforderung hat oder zur Zeit der Bergungs- oder Hilfeleistungsarbeiten hatte.

A. Allgemeines und Zweck.

 

Rn 1

Die Vorschrift entspricht dem bis 2015 geltenden ex-Art 5. Sie regelt nicht-ausschließliche besondere Gerichtsstände. Mit Rücksicht auf den Schutzzweck des Art 4 scheidet eine ausdehnende Anwendung idR aus. Die Vorschriften gehen ins Leere, wenn sie auf Drittstaaten verweisen; es bleibt in diesen Fällen bei Art 4 (EuGH Slg 89, 341). Die auf den Streitgegenstand bezogenen Zuständigkeiten in Nr 1 und 2 begründen eine Zuständigkeit nur für die jeweils fragliche vertragliche oder deliktische Anspruchsgrundlage, nicht darüber hinaus. Das nur nach Nr 1 zuständige Gericht kann nicht über deliktische Ansprüche entscheiden, das nur nach Nr 2 zuständige nicht über vertragliche (EuGH Slg 88, 5566 = ECLI:EU:C:1988:459). Dabei regeln die einzelnen Fälle der Vorschrift nicht nur die internationale, sondern – anders als Art 4 – auch die örtliche Zuständigkeit (BGHZ 82, 110).

B. Die einzelnen Gerichtsstände.

I. Streitigkeiten aus Vertrag (Nr 1).

1. Vertrag.

 

Rn 2

Die Klage muss sich auf einen Vertrag stützen. Das Merkmal Vertrag ist autonom auszulegen und erfasst alle dem maßgebenden Rechtsverhältnis nach freiwillig eingegangenen Verpflichtungen. In diesem Rahmen wird das Merkmal recht weit ausgelegt (vgl. Pfeiffer LMK 19, 421945). Es kommt nicht auf die jew infrage stehende Pflicht, sondern auf das Rechtsverhältnis als Ganzes an; im Falle eines freiwillig abgeschlossenen Vertrags werden auch die daraus kraft Gesetzes erwachsenden Ansprüche erfasst (EuGH C-337/17: Gläubigeranfechtungsklage; C-722/17: Streitigkeiten über die Verteilung eines Zwangsversteigerungserlöses, soweit das Rechtsverhältnis unter den Gläubigern vertraglich geregelt ist; C-274/16: Fluggastrechte-VO). Freiwillig eingegangene Verpflichtungen können auch stillschweigend begründet werden (EuGHC-196/15). Sie umfassen nicht nur Schuldverträge aller Art (z.B. EuGH C-417/15: Schenkungen), sondern auch die hierdurch begründete dauerhafte Geschäftsverbindung, wenn diese im anwendbaren Recht Pflichten entstehen lässt (EuGH C-196/15), oder eins...

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