Zusammenfassung

 

Art. 54 Brüssel Ia-VO(1) Enthält eine Entscheidung eine Maßnahme oder Anordnung, die im Recht des ersuchten Mitgliedstaats nicht bekannt ist, so ist diese Maßnahme oder Anordnung soweit möglich an eine im Recht dieses Mitgliedstaats bekannte Maßnahme oder Anordnung anzupassen, mit der vergleichbare Wirkungen verbunden sind und die ähnliche Ziele und Interessen verfolgt.

Eine solche Anpassung darf nicht dazu führen, dass Wirkungen entstehen, die über die im Recht des Ursprungsmitgliedstaats vorgesehenen Wirkungen hinausgehen.

(2) Jede Partei kann die Anpassung der Maßnahme oder Anordnung vor einem Gericht anfechten.

(3) Die Partei, die die Entscheidung geltend macht oder deren Vollstreckung beantragt, kann erforderlichenfalls aufgefordert werden, eine Übersetzung oder Transliteration der Entscheidung zur Verfügung zu stellen.

A. Anpassung (Abs 1).

 

Rn 1

Die Vorschrift reagiert auf das Problem, dass eine anzuerkennende und ggf zu vollstreckende Entscheidung (Art 2 lit a) gemäß der Rechtsordnung des Ursprungsmitgliedstaats (Art 2 lit d) Vorgaben enthält, die das Recht des ersuchten Staates (Art 2 lit e) nicht vorsieht. Gemäß dem Modell der Wirkungserstreckung (vgl Art 36 Rn 3) müssen nach Möglichkeit auch solche Wirkungen rekonstruiert werden. Hierzu soll im Wege der Anpassung nach Möglichkeit auf solche Maßnahmen des Rechts des ersuchten Staates zurückgegriffen werden, die vergleichbare Wirkungen erzeugen und eine ähnliche Zielrichtung bzw Interessenbewertung aufweisen (UAbs 1). Dabei dürfen aber nur Wirkungen entstehen, die nicht über diejenigen hinausgehen, welche im Recht des Ursprungsmitgliedstaats vorgesehen sind (UAbs 2).

 

Rn 2

Zur Anpassung berufen ist jede Stelle, die mit der Anerkennung bzw Vollstreckung befasst ist, also ggf die angerufene Vollstreckungsbehörde (Art 42 I), die hiermit weit über das nach autonomen deutschen Vorgaben Gewohnte hinaus gefordert wird. Streng genommen nicht erfasst wird von der Norm das Problem, dass der ausländische Titel nach deutschen Maßstäben unbestimmt ist. Auch insoweit muss ggf die Vollstreckungsbehörde eine Konkretisierung vornehmen (so im Erg auch Stürner DGVZ 16, 215, 222). Zur Frage, ob hiergegen auch der Rechtsbehelf des Abs 2 eröffnet ist, vgl Rn 3.

B. Rechtsbehelf (Abs 2).

 

Rn 3

Als Abhilfe gegen eine als unzutreffend empfundene Maßnahme sieht Abs 3 die Anfechtung der Anpassung vor Gericht vor. Antragsberechtigt ist jede Partei. Einzelheiten sind dem nationalen Recht überantwortet. Für Deutschland vgl § 1114 ZPO. In dem vom Wortlaut nicht erfassten Fall, dass die Vollstreckungsbehörde einen nach deutschen Maßstäben unbestimmten ausländischen Titel in aus Sicht einer Partei unzutreffender Weise konkretisiert hat, erscheint es geboten, den Rechtsbehelf in wortlautübersteigender Interpretation (nach deutschem Methodenverständnis: im Wege der Analogie) als eröffnet anzusehen. Das ist freilich nicht acte clair, bedarf also der Klärung durch den EuGH (ggf im Vorabentscheidungsverfahren, Art 267 AEUV).

C. Übersetzung der Entscheidung (Abs 3).

 

Rn 4

Mit Blick auf die erforderliche Anpassung kann die Entscheidung Aufschluss versprechen, den die (Vollstreckungs-)Bescheinigung nicht bietet. Übersetzung bzw Transliteration sind in Art 57 und ergänzend in § 1113 ZPO geregelt. Soweit sich eine Überschneidung mit Art 42 IV ergibt, ist Art 54 III spezieller.

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