Rn 11

Lit b begründet eine Obliegenheit des Beklagten auch dann, wenn er das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht in den Anforderungen der Norm entsprechender Weise erhalten hat, gegen die ergangene Entscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen, sofern er von deren Inhalt rechtzeitig und in einer Weise Kenntnis erlangt, die ihm dies erlaubt (verneinend zur früheren Brüssel I-VO für die 3-Tages-Frist zur Einlegung eines recurso de reposicion nach spanischem Recht BGH WM 20, 1036). Die Beurteilung, ob ein Rechtsbehelf im Ursprungsmitgliedstaat eröffnet war, richtet sich nach dessen Recht, das vAw zu prüfen ist (BGH EuZW 18, 732, 733 [BGH 17.05.2018 - IX ZB 26/17] Rz 12). Ferner hatte der EuGH (C-283/05 – ASML/SEMIS, IPRax 08, 519 mit Anm Geimer [498]) für die Anwendung der Norm zunächst verlangt, dass überhaupt ›zugestellt‹ worden ist (im Fall hatte der Schuldner das Urt freilich aufgrund eines Verstoßes gegen Art 42 II aF nie erhalten). Gelingt es dem Beklagten jedoch, im Ursprungsstaat einen Rechtsbehelf einzulegen, mit dem er geltend machen kann, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück bzw das gleichwertige Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden sei, dass er sich habe verteidigen können, so sieht der EuGH (EuGH C-420/07 – Apostolides/Orams Rz 55, BeckRS 2009, 70441) lit b bereits deshalb als ausgeschlossen an. Der BGH (NJW-RR 10, 1001 mit zust Anm Gebauer, LMK 10, 308042) hat unter Verweis hierauf auch bei Nichtzustellung die Kenntnisnahme im (heute nicht mehr erforderlichen) Exequaturverfahren als ausreichend angesehen und zieht auch einen Rechtsbehelf nach Art 650 ital ZPO gegen einen decreto ingiuntivo (Mahnbescheid) in Betracht. Der weit auszulegende Begriff des Rechtsbehelfs umfasst nach überwiegender Ansicht nur diejenigen Rechtsbehelfe, die im Urteilsstaat aufgrund der fehlerhaften Zustellung eröffnet sind (vgl nur Gebauer/Wiedmann/Gebauer/Berner Rz 11; ThoPu/Hüßtege Rz 18; wohl auch BGH NJW-RR 10, 1001, 1003 [BGH 21.01.2010 - IX ZB 193/07]; aA wohl Roth IPRax 05, 438, 439 [OLG München 15.09.2004 - 7 U 2959/04]). Dazu zählt auch die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrags (EuGH C-70/15 – Lebek/Domino, EuZW 16, 618 [BVerfG 21.06.2016 - 2 BvR 2728/13; 2 BvR 2728/13; 2 BvR 2729/13; 2 BvR 2730/13; 2 BvR 2731/13; 2 BvE 13/13] mAnm Bach; Zweibr IPRax 06, 486, 488 [OLG Hamm 28.02.2005 - 15 W 117/04]; Rauscher/Leible Rz 58).

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