Gesetzestext

 

(1) Erwägt das nach den Artikeln 8 bis 15 zuständige Gericht die Unterbringung des Kindes in einem Heim oder in einer Pflegefamilie und soll das Kind in einem anderen Mitgliedstaat untergebracht werden, so zieht das Gericht vorher die Zentrale Behörde oder eine andere zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats zurate, sofern in diesem Mitgliedstaat für die innerstaatlichen Fälle der Unterbringung von Kindern die Einschaltung einer Behörde vorgesehen ist.

(2) Die Entscheidung über die Unterbringung nach Abs. 1 kann im ersuchenden Mitgliedstaat nur getroffen werden, wenn die zuständige Behörde des ersuchten Staates dieser Unterbringung zugestimmt hat.

(3) Für die Einzelheiten der Konsultation bzw der Zustimmung nach den Absätzen 1 und 2 gelten das nationale Recht des ersuchten Staates.

(4) Beschließt das nach den Artikeln 8 bis 15 zuständige Gericht die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie und soll das Kind in einem anderen Mitgliedstaat untergebracht werden und ist in diesem Mitgliedstaat für die innerstaatlichen Fälle der Unterbringung von Kindern die Einschaltung einer Behörde nicht vorgesehen, so setzt das Gericht die Zentrale Behörde oder eine zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats davon in Kenntnis.

 

Rn 1

Diese Vorschrift regelt die Voraussetzungen für die grenzüberschreitende Unterbringung eines Kindes (s dazu Wicke/Reinhardt JAmt 07, 453, 456f). Diese erstmals eröffnete Möglichkeit greift etwa, wenn sich eine Familie aus einem Mitgliedstaat zu Urlaubszwecken in einem anderen Mitgliedstaat aufhält und wegen eines Unfalls des Kindes dieses längere Zeit bei Verwandten in diesem Staat – als Pflegefamilie – untergebracht werden soll oder wenn deutsche Eltern aus steuerlichen Gründen in Frankreich nahe der deutschen Grenze wohnen, in Deutschland arbeiten (Grenzgänger), schwer verunfallen und das Kind, das in Frankreich keine anderen Verwandten mehr hat, schon bisher in Deutschland zur Schule ging und dort seine Freunde hat, nunmehr – was naheliegen kann – in Deutschland untergebracht werden soll. Die Norm kann im Einzelfall auch, falls das Kind zweisprachig ist, die Voraussetzung für eine möglichst einzelfallgerechte Unterbringungsform schaffen, wenn diese im nahen Ausland, aber nur in größerer Entfernung im Inland existiert. Auch die geschlossene Unterbringung eines Kindes in einer Therapie- und Erziehungseinrichtung fällt in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung (EuGH FamRZ 12, 1466).

 

Rn 2

Das zu diesem Zweck – wegen des Anerkennungshindernisses des Art 23 lit g zwingend – durchzuführende Konsultationsverfahren setzt voraus, dass das Gericht, das die Unterbringung im anderen Mitgliedstaat erwägt, auf der Grundlage der Art 8–15 der Verordnung international zuständig ist. Die nach Abs 2 notwendige Zustimmung ist vor Erlass der Entscheidung über die Unterbringung des Kindes von einer zuständigen öffentlich-rechtlichen Behörde zu erteilen; er genügt nicht, dass das Heim, in dem das Kind untergebracht werden soll, seine Zustimmung erteilt. Außerdem setzt die Durchsetzung der zwangsweisen Unterbringung des Kindes voraus, dass die Unterbringungsentscheidung des Mitgliedstaats im ersuchten Mitgliedstaat für vollstreckbar erklärt worden ist. Über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist besonders schnell zu entscheiden; Rechtsbehelfe hiergegen dürfen keine aufschiebende Wirkung haben. Wird die Zustimmung zu einer Unterbringung für eine bestimmte Dauer erteilt, so muss im Falle einer beabsichtigten Verlängerung der Unterbringungsmaßnahme um eine neue Zustimmung ersucht werden und diese im ersuchten Mitgliedstaat erneut für vollstreckbar erklärt werden; andernfalls darf die verlängerte Unterbringungsanordnung nicht vollstreckt werden (s zum Ganzen EuGH FamRZ 12, 1466 mit Einzelheiten).

Das Verfahren im Einzelnen regelt das nationale Recht des ersuchten Staates (Abs 3). Sieht dieses Recht eine Konsultation nicht vor, so genügt es, wenn das international zuständige Gericht die Zentrale Behörde oder eine zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaats informiert (Abs 4).

 

Rn 3

Für den Fall einer beabsichtigten Unterbringung des Kindes in Deutschland gestalten die §§ 4547 IntFamRVG das Verfahren näher aus. § 45 IntFamRVG weist die Befugnis für die Erteilung der Zustimmung zur Unterbringung den Landesjugendämtern zu; die eigentliche Unterbringung bleibt demgegenüber in der Zuständigkeit der örtlichen Jugendämter. § 46 IntFamRVG regelt näher das Konsultationsverfahren zwischen den beteiligten Stellen beider Staaten. Stets kann die ausländische Stelle um ergänzende Informationen ersucht werden (§ 46 III IntFamRVG). Dem Ersuchen soll zugestimmt werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind (§ 46 I IntFamRVG):

  • Nr 1: Kindeswohlverträglichkeit der Unterbringung im Inland (besondere Bindung);
  • Nr 2: Vorliegen eines ärztlichen Zeugnisses oder Gutachtens;
  • Nr 3: Anhörung des Kindes im Ausland (hierfür gelten aber die Maßstäbe des deutschen Rechts, also § 159 FamFG, s dazu auch Art 21–27 Rn 7);
  • Nr 4: Zustimm...

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