Leitsatz

Der arbeitslose Antragsgegner, der Leistungen nach dem SGB II bezog, hatte für die Wahrnehmung seiner Rechte im Ehescheidungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt. Prozesskostenhilfe wurde ihm bewilligt und monatliche Raten von 15,00 EUR festgesetzt. Hierzu hat das erstinstanzliche Gericht ausgeführt, dem Antragsgegner sei ein fiktives Erwerbseinkommen von monatlich 1.000,00 EUR anzurechnen. Sowohl nach den prozesskostenhilferechtlichen Regelungen der §§ 114 ff. ZPO als auch nach dem Sozialhilferecht bestehe grundsätzlich die Verpflichtung desjenigen, der um Sozialleistung nachsuche, seinen Hilfebedarf selbst zu decken. Auf fehlende Erwerbseinkünfte könne sich nur derjenige berufen, dem eine Erwerbstätigkeit entweder nicht zumutbar sei oder der sich vergeblich darum bemüht habe. Entsprechende Bemühungen habe der Antragsgegner nicht dargelegt.

Gegen den PKH-Beschluss des erstinstanzlichen Gerichts wandte sich der Antragsgegner mit der sofortigen Beschwerde. Sein Rechtsmittel war insoweit erfolgreich, als die Ratenzahlungsverpflichtung entfiel.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG wies darauf hin, dass umstritten sei, unter welchen Voraussetzungen der nicht realisierte Wert der eigenen Arbeitskraft als Einkommen i.S.d. § 115 Abs. 1, Abs. 3 ZPO anzusehen sei.

Das OLG Brandenburg folgte der von einem Teil der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, wonach der Wert der eigenen Arbeit nur dann anzusetzen sei, wenn die bedürftige Partei es in Ansehung des konkreten Prozesses in vorwerfbarer Weise unterlasse, ein zumutbares Arbeitseinkommen zu erzielen (OLG Koblenz FamRZ 1997, 376; OLG Naumburg, FamRZ 2001, 924; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1120; Brandenb. OLG - 4. FamS -, NJW-RR 2008, 734).

Für die Beurteilung, ob die Partei nach ihrem Einkommen bedürftig sei, komme es gemäß § 115 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nur auf das tatsächliche Einkommen an. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut des § 115 ZPO als auch aus dem Sinn und Zweck der Norm.

Die Anrechnung fiktiven Erwerbseinkommens könne auch nicht mit der Begründung erfolgen, die um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei habe gegen eine Erwerbsobliegenheit verstoßen. Anders als im Unterhaltsrecht fehle es im Prozesskostenhilferecht an einer gesetzlichen Regelung, wonach die bedürftige Partei verpflichtet sei, ihren Bedarf durch eigene Erwerbseinkünfte zu decken. Eine solche Erwerbsobliegenheit sei auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe herzuleiten.

Eine fiktive Einkommenszurechnung sei auf klare Missbrauchsfälle zu beschränken (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 115 Rz. 6), auf Fälle also, in denen die Leistungsunfähigkeit auf einem böswilligen Verhalten der Partei beruhe. Dies könne im Einzelfall etwa dann in Betracht kommen, wenn die Partei ein bestehendes Arbeitsverhältnis beende oder ein ihr angebotenes nicht annehme und hierdurch zumindest auch das Ziel verfolge, ihre Leistungsfähigkeit herbeizuführen bzw. aufrechtzuerhalten, um in den Genuss staatlicher Prozesskostenhilfe zu gelangen.

Ein solches verfahrensbezogenes Fehlverhalten könne dem schon seit längerer Zeit arbeitslosen Antragsgegner nicht entgegengehalten werden.

 

Link zur Entscheidung

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 31.08.2009, 15 WF 245/08

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