Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung des erzielbaren Einkommens im PKH-Verfahren

 

Verfahrensgang

AG Mannheim (Aktenzeichen 5E F 313/02)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird die Ratenzahlungsanordnung im Beschluss des AG - FamG - Mannheim aufgehoben.

 

Gründe

(nur der Antragstellerin mitzuteilen)

Die Antragstellerin hatte am 21.11.2002 Prozesskostenhilfe beantragt, Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt und dieser Erklärung die Fotokopie eines Sozialhilfebescheids des Sozialamts M. vom 23.10.2002 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz für November 2002 beigefügt. Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss Prozesskostenhilfe bewilligt und bestimmt, dass die Antragstellerin Monatsraten von 15 Euro zu zahlen habe. Zur Begründung der Ratenzahlungsanordnung hat es sich auf OLG Zweibrücken v. 31.10.2001 - 2 WF 84/01, OLGReport Zweibrücken 2003, 136 = NJW-RR 2002, 647 bezogen. Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 16.5.2003 zugestellt. Unter dem 2.6.2003 richtete die Antragstellerin ein Schreiben folgenden Inhalts an die Landesoberkasse Baden-Württemberg in Metzingen: "sie Wollen das ich M.S. 15 Euro Monatlich Bezahle. Aber wie soll ich das tun, bekomme vom Sozialamt 294 Euro. Davon muß ich Strom und Telepon bezahlen und Leben. Daher weiß ich nicht wie ich dies machen soll." Dieses Schreiben wurde von der Landesoberkasse unter dem 15.6.2003 an das AG Mannheim weitergeleitet. Wann es dort einging, ist nicht festzustellen.

1. Mit dem AG legt auch der Senat das Schreiben vom 2.6.2003 als sofortige Beschwerde gegen die Ratenzahlungsanordnung aus.

2. Das Rechtsmittel ist als rechtzeitig anzusehen. Nach der Lebenserfahrung ist anzunehmen, dass es, von der Landesoberkasse unter dem 5.6.2003 an das AG weitergeleitet, dort spätestens am 16.6.2003 einging.

3. Das Rechtsmittel hat auch Erfolg.

Nach § 115 Abs. 1 ZPO ist grundsätzlich auf tatsächlich vorhandenes Einkommen der Partei abzustellen. Das erzielbare statt des tatsächlichen Einkommens kann allenfalls dann angesetzt werden, wenn es sonst zu einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe durch arbeitsunwillige Personen käme (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.3.2003 - 16 WF 191/02, z.V.; Vorinstanz: AG Mannheim - 5E F 324/01; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.10.1998 - 16 WF 103/98, FamRZ 1999, 599). Die Verletzung einer Erwerbsobliegenheit mag unterhaltsrechtlich zur Fiktion eines Einkommens führen, tut es jedoch nicht im Sozialhilferecht. Einkommen i.S.d. § 76 Abs. 1 BSHG sind nur die Einkünfte, die tatsächlich zur Verfügung stehen; fiktive Einkünfte sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (BGH v. 11.3.1998 - XII ZR 1990/96, MDR 1998, 599 = FamRZ 1998, 818). Weigert sich ein Hilfesuchender ggü. der Sozialhilfebehörde, zumutbare Arbeit zu leisten oder zumutbaren Maßnahmen nach den §§ 19, 20 BSHG nachzukommen, wird der Hilfe Suchende nicht aus der Betreuung des Sozialhilfeträgers entlassen, sondern verliert lediglich den Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Sozialhilfeträger wird bei der Gestaltung der Hilfe und ihrer Anpassung an die Besonderheiten des Einzelfalles freier gestellt. Er kann z.B. die Hilfe bis auf das Unerlässliche kürzen, um so zu versuchen, den Hilfe Suchenden zur Arbeit anzuhalten und ihn so letzten Endes auf den Weg zur Selbsthilfe zu führen (vgl. BVerwG v. 17.5.1995 - 5 C 20/93, FamRZ 1996, 106 [107] m.w.N.; BGH v. 11.3.1998 - XII ZR 190/96, MDR 1998, 599 = FamRZ 1998, 818).

Das Prozesskostenhilferecht enthält solche Gestaltungsmöglichkeiten nicht. Bei dem gleichwohl möglichen Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze bleibt nur die Möglichkeit, der bedürftigen Partei Rechtsmissbrauch entgegenzuhalten.

Anhaltspunkte für rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin sieht der Senat nicht. Gegen eine solche Annahme spricht der Umstand, dass der Antragstellerin ungekürzt Sozialhilfe bewilligt wurde. Die Sozialhilfe beträgt insgesamt 518,46 Euro; davon werden 234,46 Euro an andere Zahlungsempfänger abgeführt. Dabei handelt es sich um die Miete, wie sich aus einem Vergleich dieses Betrages mit der in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegebenen Summe der Wohnkosten, ebenfalls 234,66 Euro, ergibt. Neben der Übergabe eines Sozialhilfebescheides von der prozesskostenhilfebedürftigen Partei auch noch eine nähere Begründung dafür zu verlangen, warum sie ihren Lebensunterhalt nicht durch eigene Erwerbstätigkeit sicherstellt, ist nicht angezeigt. Dies legt zunächst § 2 Abs. 2 der Prozesskostenhilfe-VordruckVO vom 17.10.1994 - BGBl. I, 3001 - nahe, wo es heißt: "Eine Partei, die nach dem Bundessozialhilfegesetz laufende Leistungen zum Lebensunterhalt bezieht, muss die Abschnitte E-J des Vordrucks zunächst nicht ausfüllen, wenn sie der Erklärung den letzten Bewilligungsbescheid des Sozialamtes beifügt." Dies bedeutet, dass eine Erklärung über Bruttoeinnahmen, Abzüge von den Bruttoeinnahmen, Vermögen, Wohnk...

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