Rz. 56

Den Abkömmlingen, dem Ehegatten sowie den Eltern des Erblassers, die gesetzliche Erben sein würden, stehen, wenn der Berechtigte dauernd arbeitsunfähig oder wenn ein berechtigter Abkömmling minderjährig ist, zwei Drittel des Wertes des Erbteils, der ihnen im Falle der gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre, und in anderen Fällen der halbe Wert dieses Erbteils zu (Art. 991 § 1 ZGB). Hat der Berechtigte den ihm zustehenden Pflichtteil weder in Gestalt eines ihm vom Erblasser gemachten Geschenks noch in Gestalt einer Berufung zur Erbschaft oder in Gestalt eines Vermächtnisses erhalten, so steht ihm gegen den Erben ein Anspruch auf Zahlung des zur Deckung des Pflichtteils oder zu seiner Ergänzung erforderlichen Geldbetrags zu (Art. 991 § 2 ZGB). Der Pflichtteil ist daher wie im deutschen Recht als Geldanspruch ausgestaltet.

 

Rz. 57

Die Ergänzung des Pflichtteils (Art. 1000 ZGB) findet statt, wenn der Berechtigte den ihm zustehenden Pflichtteil vom Erben oder von der Person, zugunsten derer ein Vindikationsvermächtnis angeordnet wurde, nicht erlangen kann. In einer solchen Situation kann der Berechtigte von einer Person, die vom Erblasser eine dem Nachlass hinzugezählte Schenkung erhalten hat, den zur Ergänzung des Pflichtteils erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Beschenkte ist zur Zahlung des vorgenannten Betrags nur innerhalb der Grenzen der Bereicherung, die die Folge der Schenkung ist, verpflichtet. Wenn der Beschenkte selbst pflichtteilsberechtigt ist, so haftet er anderen Pflichtteilsberechtigten gegenüber nur bis zur Höhe des seinen eigenen Pflichtteil übersteigenden Überschusses. Durch die Herausgabe des Schenkungsgegenstands kann sich der Beschenkte von der Verpflichtung zur Zahlung des zur Ergänzung des Pflichtteils erforderlichen Betrags befreien.

 

Rz. 58

In Art. 1008 ZGB sind die Gründe für eine Enterbung geregelt. Die Enterbung ist eine Entziehung des Pflichtteils der Abkömmlinge, des Ehegatten und der Eltern, welche der Erblasser im Testament vorsehen kann. Die Enterbung ist zulässig, wenn der Pflichtteilsberechtigte entgegen dem Willen des Erblassers hartnäckig in einer den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens widersprechenden Weise handelt oder wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser oder einem seiner nächsten Angehörigen gegenüber eine vorsätzliche Straftat gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit begangen oder seine Ehre grob verletzt hat. Außerdem ist eine Enterbung möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser gegenüber seine familienrechtlichen Verpflichtungen hartnäckig nicht erfüllt. Der Grund für die Enterbung des Pflichtteilsberechtigten muss sich aus dem Inhalt des Testaments ergeben. Der Erblasser kann einen Pflichtteilsberechtigten nicht enterben, wenn er ihm verziehen hat (Art. 1010 § 1 ZGB). War der Erblasser im Zeitpunkt der Verzeihung nicht geschäftsfähig, so ist diese wirksam, wenn sich der Erblasser ihrer Folgen hinreichend bewusst war (Art. 1010 § 2 ZGB).

 

Rz. 59

Im polnischen Recht verjähren die Ansprüche aus dem Pflichtteil sowie die Ansprüche der Erben auf Herabsetzung von Vermächtnissen und Auflagen nach Ablauf von fünf Jahren seit der Veröffentlichung des Testaments (Art. 1007 § 1 ZGB). Gemäß Art. 1007 § 2 ZGB verjährt der Anspruch gegen den aufgrund einer vom Erblasser erhaltenen Schenkung zur Ergänzung des Pflichtteils Verpflichteten nach Ablauf von fünf Jahren seit dem Erbfall.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge