Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Rücknahme der Verteidigerbestellung und die Auswechslung des Pflichtverteidigers sind in den §§ 143, 143a geregelt. Die Bestellung ist u.a. dann aufzuheben, wenn der Angeklagte einen anderen Verteidiger gewählt hat und dieser die Wahl annimmt. Auch eine einvernehmliche und kostenneutrale "Umbeiordnung" ist möglich.
2. Die Entpflichtung des Pflichtverteidigers kommt auch in Betracht, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Angeklagten endgültig zerstört ist.
3. Darüber hinaus ist eine Entpflichtung auch aus einem sonstigen wichtigen Grund zulässig.
4. Weitere Aufhebungsgründe enthält das Gesetz in §§ 143 Abs. 2 S. 1, S. 3, S. 4 sowie in § 144 Abs. 2 S. 1.
5. Strittig ist, in welchem Umfang ein Entpflichtungsantrag begründet werden muss. Nach hM muss eine Störung des Vertrauensverhältnisses substantiiert dargelegt werden.
6. Zuständig für die Entpflichtung des Pflichtverteidigers ist der Vorsitzende. Der Angeklagte ist zuvor anzuhören.
7. Die Entscheidungen über die Entpflichtung sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Dem Beschuldigten steht insoweit ein eigenes Beschwerderecht zu, dem Pflichtverteidiger dagegen nur, wenn ein von ihm selbst gestellter Entpflichtungsantrag abgelehnt wurde.
 

Rdn 2415

 

Literaturhinweise:

Barton, Verteidigerfehler und deren Korrektur, StraFo 2015, 315

Beulke, Beschwerdebefugnis des Pflichtverteidigers bei Aufhebung seiner Bestellung – Zu BGH, Beschl. v. 18.8.2020 – StB 25/20, JZ 2021, 403

Böhm, Die Beendigung der Pflichtverteidigerbestellung nach der Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung, StV 2021, 196

Böß, Das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung, NStZ 2020, 185

Dencker, Die Ausschließung des Pflichtverteidigers, NJW 1979, 2176

Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß, 2004, Fromm, Neues zur "Umbeiordnung" des Pflichtverteidigers, NJOZ 2014, 1081

ders., Prozessuale Besonderheiten im strafrechtlichen Großverfahren, StraFo 2017, 146

Hellwig/Zebisch, Pflichtverteidigung – Die Entpflichtung des Verteidigers wegen eines gestörten Vertrauensverhältnisses (Rechts-)Probleme und Lösungsansätze, NStZ 2010, 602

Hilgendorf, Die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung gem. § 143 StPO, NStZ 1996, 1

Hillenbrand, Das neue Recht der Pflichtverteidigung – Teil I, StRR 2/2020, 4

ders., Das neue Recht der Pflichtverteidigung – Teil 2, StRR 3/2020, 4

ders., Aktuelle Rechtsprechung zum neuen Recht der Pflichtverteidigung, ZAP F.22, 1047

Kett/Straub, Darf das Gericht dem Pflichtverteidiger "kündigen"?, NStZ 2006, 361

Kröpil, Zum Meinungsstreit über das Bestehen eines allgemeinen strafprozessualen Mißbrauchsverbots, JuS 1997, 355

Kudlich, Unzulässigkeit eines mißbräuchlichen Hilfsbeweisantrags (Besprechung von BGHSt 40, 287), JuS 1997, 507

Kühne, Rechtsmißbrauch des Strafverteidigers, NJW 1998, 3027

Lam/Meyer-Mews, Die gestörte Verteidigung – Möglichkeiten und Grenzen des Widerrufs der Pflichtverteidigerbestellung, NJW 2012, 177

Molketin, "Erschleichen" der Pflichtverteidigung? Zugleich ein Beitrag zur Auslegung und Anwendung des § 143 Abs. 1 StPO

Müller-Jacobsen, Das neue Recht der notwendigen Verteidigung, NJW 2020, 757

Müller-Meinigen, Die Selbstachtung des Verteidigers, AnwBl. 1978, 218

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Wohlers, Entpflichtung des Verteidigers infolge Störung des Vertrauensverhältnisses, JR 2020, 649

s.a. die Hinw. bei → Pflichtverteidiger, Bestellung in der Hauptverhandlung, Teil P Rdn 2376.

 

Rdn 2416

1.a) Die Rücknahme der Verteidigerbestellung und die Auswechslung des Pflichtverteidigers sind durch das "Gesetz zur Reform des Rechts der notwendigen Verteidigung" v. 10.12.2019 (BGBl. I, S. 2128) in den §§ 143, 143a geregelt.

 

Rdn 2417

b) Nach § 143a Abs. 1 S. 1 ist die Bestellung aufzuheben, wenn der Angeklagte einen anderen Verteidiger gewählt hat und dieser die Wahl annimmt. Im Gegensatz zum früheren Recht genügt es nicht mehr, wenn der neue Verteidiger erst "demnächst" gewählt werden wird (hierzu Burhoff, EV, Rn 3682). Die ­damit zusammenhängenden Fragen sind für die HV jedoch nicht von großer Bedeutung. Insoweit wird deshalb auf die eingehenden Ausführungen in Burhoff, EV, Rn 3677 f. verwiesen (zur Auswechselung des Pflichtverteidigers nach § 143a Abs. 2 S. 1, wenn dem Beschuldigten/Angeklagten nur eine kurze Frist zur Benennung seines Wunschverteidigers oder ihm ein anderer, nicht von ihm benannter Verteidiger beigeordnet wurde s. Teil P Rdn 2427 u. Burhoff, EV, Rn 3687).

 

☆ Es ist aber zu prüfen , ob nicht ein unabweisbares Bedürfnis dafür besteht, den Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger tätig bleiben zu lassen ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 143a Rn 7 u. § 144 Rn 2; KK- Willnow , § 143 Rn 3, jew. m.w.N.; s.a. Hilgendorf NStZ 1996, 2). Es gelten dafür die gleichen Grundsätze wie für die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben einem Wahlverteidiger (dazu →  Pflichtverteidiger , Bestellung neben Wahlverteidiger , Teil P Rdn  2395 ).prüfe...

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