Entscheidungsstichwort (Thema)
Factory Outlet Center. Einkaufszentrum. Drittschutz. Nachbargemeinde. Drittwiderspruch gegen Baugenehmigung. Beschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Factory Outlet Center erfüllt in der Regel die Merkmale eines Einkaufszentrums.
2. § 11 Abs. 3 BauNVO kann zugunsten anderer Gemeinden nachbarschützend wirken.
3. Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Falle eines planungsrechtlich unzulässigen Factory Outlet Center, dessen Auswirkungen auf die wenige Kilometer entfernte Innenstadt einer Großstadt nicht hinreichend geklärt sind.
Normenkette
BauNVO § 11 Abs. 2-3; BauGB § 2 Abs. 2, § 30
Verfahrensgang
VG Schwerin (Beschluss vom 25.11.1998; Aktenzeichen 2 B 970/98) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 25. November 1998 aufgehoben.
Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin gegen den der Beigeladenen zu 1. erteilten Bauvorbescheid des Antragsgegners vom 29.05.1997 sowie gegen die der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 11.03.1998 wird angeordnet.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Antragsgegner sowie die Beigeladene zu 1. je zur Hälfte, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2., die dieser selbst trägt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner sowie die Beigeladenen je zu einem Drittel.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für beide Verfahren auf 100.000,– DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen einen Bauvorbescheid sowie eine Baugenehmigung, die der Antragsgegner der Beigeladenen zu 1. für die Errichtung und den Betrieb eines sogenannten „factory outlet center” auf dem Gebiet der Gemeinde K., Flurstücke 203, 204, 207, 238, Flur 1, Gemarkung B., erteilt hat. Der Standort liegt in der Nähe einer Abfahrt der BAB A 19. Die Entfernung zur Innenstadt der Antragstellerin beträgt etwa 6 Kilometer.
Das Vorhaben liegt im Geltungsbereich des am 11.02.1992 in Kraft getretenen Bebauungsplanes Nr. 1 der Gemeinde K., der für den Bereich der oben genannten Flurstücke nach der Planzeichnung die Festsetzung „Sondergebiet Verbrauchermarkt” trifft. Nach Nr. 1 Abs. 1 der Planergänzungsbestimmungen sind im „Sondergebiet Verbrauchermarkt” zulässig: „Verbrauchermarkt (Sortiment: Lebensmittel, Ge- und Verbrauchsgüter des kurz- und mittelfristigen Bedarfes), Verkaufsfläche max. 3.500 qm; Fachmärkte (branchenspezifisches Sortiment), Verkaufsfläche max. 800 qm; Läden, Büros und Dienstleistungseinrichtungen; (Tankstelle mit Autowaschanlage und Werkstatt)”.
Bereits im März 1991 hatten Investoren (Architekten Ho. und Ha.) eine Bauvoranfrage für die Errichtung eines Einkaufszentrums mit verschiedenen Fachmärkten, einem SB-Markt sowie einer Gesamtverkaufsfläche von 9.460 qm gestellt, die unter dem Bezug „Einkaufszentrum K.” auf der Grundlage von § 33 BauGB am 27.03.1991 positiv beschieden wurde.
Am 6.12.1996 stellte die Beigeladene zu 1. bei dem Antragsgegner eine Bauvoranfrage für die Errichtung eines „Markthallen und Sonderposten Center K.” mit einer Gesamtverkaufsfläche von ca. 9.000 qm. Beabsichtigt war danach neben dem Bau einer Tankstelle die Errichtung eines Verbrauchermarktes von ca. 3.500 qm, neun weiterer Verkaufseinrichtungen (Restposten, Discounter, Blumen, Angelshop etc.) mit einer Größe zwischen 330 und 800 qm sowie einer Markthalle mit ca. 26 Einzeleinheiten von ca. 30 qm pro Stand. Der Antragsgegner erteilte der Beigeladenen zu 1. am 29.05.1997 den begehrten, hier streitgegenständlichen Bauvorbescheid auf der Grundlage des Bebauungsplanes Nr. 1. Der Bescheid wurde der Antragstellerin nicht bekanntgegeben.
Am 15.10.1997 sowie mit Nachtrag vom 11.02.1998 beantragte die Beigeladene zu 1. die Erteilung der Baugenehmigung für den Bau eines „Rest- und Sonderposten-Center” mit einem Verbrauchermarkt von 932 qm Verkaufsflächengröße sowie 26 weiterer Handelseinrichtungen mit einer Verkaufsflächengröße zwischen 75 und 776 qm. Der Antragsgegner erteilte – ebenfalls ohne Bekanntgabe an die Antragstellerin – der Beigeladenen zu 1. am 11.03.1998 die beantragte Baugenehmigung.
Die Antragstellerin erhob unter dem 7.05.1998 gegen Vorbescheid sowie Baugenehmigung Widerspruch und beantragte am 24.09.1998 bei dem Verwaltungsgericht Schwerin die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus: Die Nutzung sei unzulässig, da der Bebauungsplan Nr. 1 die Errichtung eines Einkaufscenters nicht vorsehe. Die Festsetzungen über das Sondergebiet Verbrauchermarkt vermittelten zugunsten der Antragstellerin aufgrund ihrer Abstimmungs- und Schutzfunktion Nachbarschutz. Die Antragstellerin sei darin konkretisiert und individualisiert angesprochen. Die Genehmigungen verletzten auch das interkommunale Abstimmungsgebot, da die Errichtung eines Einkaufszentrums nicht abgestimmt sei. § 2 Abs. 2 BauGB gewähre Abwehrrechte auch gegen Einzelfallentscheidungen. Voraussetzung dafür seien ...