Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfernung eines Postbeamten aus dem Dienst wegen Unterschlagung von Nachnahme- und Nachentgelten

 

Nachgehend

BVerwG (Urteil vom 20.10.2005; Aktenzeichen 2 C 12.04)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gerichtsgebührenfreien Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

1. Der am 12.3.1974 in Rodalben geborene Beklagte trat nach dem Schulabschluss (Hauptschule) und Ableisten des Berufsgrundschuljahres am 1.8.1990 als auszubildende Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb beim damaligen Postamt Pirmasens in den Dienst der früheren Deutschen Bundespost. Nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung – Gesamtnote: befriedigend – wurde er am 11.6.1992 unter gleichzeitiger Ernennung zum Postoberschaffner z.A. in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen. Zum 1.1.1994 wurde er zum Postoberschaffner ernannt und mit Wirkung vom 1.2.1995 zum Posthauptschaffner (Besoldungsgruppe A 4) befördert. Die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit wurde ihm zum 12.3.2001 verliehen.

Der Beklagte war zuletzt als Briefzusteller beim Zustellstützpunkt Zweibrücken eingesetzt. Insoweit wurden ihm in der Beurteilung seines unmittelbaren Vorgesetzten vom 12.11.2001 mit Blick auf seine Ausfallzeiten – seit April 2001: 76 Krankheitstage – gerade noch befriedigende Leistungen bescheinigt; weiter wurde ausgeführt, seine Verwendbarkeit sei eingeschränkt, weil er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sei.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des nicht verheirateten Beklagten waren zeitweise sehr angespannt. Seine Nettobezüge beliefen sich beispielsweise im März 2002 auf 1.433,48 Euro/Monat. Davon gingen regelmäßig 203,20 Euro an Versicherungen, 50,00 Euro an den Quelle-Versand, 248,15 Euro an die Creditreform und 410,00 Euro an seinen Vermieter ab, so dass ihm zur Bestreitung seines sonstigen Lebensunterhalts rund 522,00 Euro im Monat verblieben. Inzwischen ist es dem Beklagten gelungen, seine Schulden fast vollständig abzutragen und seine finanziellen Angelegenheiten zu ordnen.

Strafgerichtlich und disziplinarrechtlich ist der Beklagte nicht vorbelastet.

Unter dem 6.11.2001 wurden Vorermittlungen gemäß § 26 BDO gegen den Beklagten

angeordnet. Am 4.12.2001 wurde ihm gemäß § 60 BBG unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Anfang 2002 wurde das Disziplinarverfahren gemäß § 17 BDG eingeleitet. Mit Verfügung vom 8.4.2002 wurde der Beklagte gemäß § 38 Abs. 1 BDG vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung von 1 % der ihm zustehenden Dienstbezüge angeordnet, beschränkt auf die Monate Juli und Dezember.

Der auf Antrag des Beklagten beteiligte Betriebsrat der Deutschen Post AG

Niederlassung Produktion Brief hat sich in einer Sitzung vom 1.7.2002 mit der Disziplinarsache befasst und mit Schreiben vom 3.7.2002 der Klägerin mitgeteilt, er könne auf Grund des erheblichen Gewichts der Dienstpflichtverletzungen gegen die Erhebung einer Disziplinarklage keine Einwendungen erheben, die sich auf die in § 77 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BPersVG bezeichneten Gründe stützen ließen; zugleich hat der Betriebsrat „vorsorglich” darauf hingewiesen, dass er eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis für „überzogen” erachte, da außergewöhnliche Milderungsgründe vorlägen.

Ein hinsichtlich eines Teils der Anschuldigungspunkte (nachfolgend 2 b und c) eingeleitetes Strafverfahren wurde nach Zahlen einer Geldbuße in Höhe von 400,– Euro am 1.8.2002 von der Staatsanwaltschaft Zweibrücken gemäß § 153 a Abs. 1 StPO endgültig eingestellt (Aktenzeichen: 4009 Js 2185/02).

Am 17.9.2002 ist die Disziplinarklage mit dem Antrag,

den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, beim Verwaltungsgericht eingegangen.

Der Beklagte ist diesem Antrag entgegengetreten.

2. Dem Disziplinarverfahren liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

a) Am Freitag, dem 7.9.2001, stellte der Beklagte etwa 70 Postwurfspezialsendungen der Firma H., die für ausgewählte Haushalte zur Zustellung vorgesehen waren und deshalb vor Beginn der Zustellung von dem Beklagten nach Empfänger-Anschriften hätten vorsortiert werden müssen, nicht zu. Auch am 8.9.2001 erfolgte keine Zustellung. Eine Rücksprache mit dem Innendienst erfolgte an keinem der beiden Tage. Die Sendungen wurden am 14.9.2001 – der Beklagte war seit Montag, dem 10.9.2001, erkrankt – in einem Briefbehälter am Arbeitsplatz vorgefunden.

Der Beklagte hat sich dahin eingelassen, am 7.9.2001 wegen des hohen Sendungsaufkommens in Verzug geraten zu sein; er habe die ihm vorliegenden Postwurfsendungen der Firma H gezählt und die Zahl 75 in das Formblatt „Postwurf-Spezial-Ermittlung der zugestellten Verkehrsmengen” eingetragen; bei dieser Menge habe es sich um etwa zwei Drittel des Gesamtaufkommens gehandelt, und diese 75 Sendungen habe er noch am selben Tag ausgetragen. Die restlichen Sendungen habe er unsortiert in einen Briefbehälter gelegt, den er unter seinen Zustellspind gestellt h...

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