Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 23.06.2005; Aktenzeichen 3 O 102/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) vom 23.6.2005 geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.136,06 EUR nebst Zinsen von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.11.2004 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz werden dem Kläger auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch eine Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Das klagende L. nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht seiner Bediensteten T. und D. auf Ersatz von Aufwendungen in Anspruch, die durch einen Verkehrsunfall vom 21.12.2002 verursacht worden sein sollen. An diesem Tag war der Versicherungsnehmer der Beklagten mit einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw auf der BAB A6 entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung - als sog. Geisterfahrer - unterwegs. Es kam zu einem Frontalzusammenstoß mit dem entgegenkommenden Pkw der Familie O., in dem sich die Eheleute O. und deren beiden Kinder befanden. Der Unfallstelle näherte sich der Zeuge H. in seinem Pkw. Der Zeuge und sein Beifahrer, der Zeuge T. - beides Polizeibeamte des Klägers - waren auf dem Heimweg vom Nachtdienst. Der Zeuge H. konnte die unbeleuchtet auf der Fahrbahn der Bundesautobahn stehenden Unfallfahrzeuge erst sehr spät erkennen. Bei dem Versuch, ihnen auszuweichen, geriet sein Pkw gegen die Leitplanken. Hierbei erlitt der Zeuge T. eine Distorsion der HWS/BWS. Im weiteren Verlauf fingen der Pkw des Geisterfahrers und der Pkw der Familie O. Feuer und brannten völlig aus; auch die Insassen verbrannten.

Der Zeuge D., ebenfalls Polizeibeamter des Klägers, kam zur Unfallaufnahme zum Unfallort. Als er eintraf, standen die beiden Fahrzeuge bereits in Flammen.

Die Kosten für die Heilbehandlung des Zeugen T. wegen seiner Verletzung "Distorsion der HWS/BWS", die zu einer Dienstunfähigkeit vom 23.12.2002 bis 2.1.2003 führte, zahlte die Beklagte. Der Kläger begehrt weitere Ersatzleistungen mit der Begründung, die Zeugen Th. und D. hätten durch den Verkehrsunfall eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten, die beim Zeugen T. zu einer Dienstunfähigkeit vom 30.9.2003 bis 31.7.2004 und beim Zeugen D. zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit geführt hätten; außerdem seien weitere Heilbehandlungskosten angefallen. Die Beklagte sei hierfür einstandspflichtig, weil der zugrunde liegende psychische Schaden der Zeugen durch den Unfall verursacht worden sei und die Haftungsnorm auch ihrem Schutz als vom Unfallgeschehen betroffene Polizeibeamte diene.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 41.457,03 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 37.394,96 EUR seit dem 11.11.2004 sowie aus 4.062,07 EUR seit dem 5.1.2005 zu zahlen und

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm alle künftigen Schäden aus übergegangenem Recht aus dem Dienstunfall des PKA M. T. und des PHK H.-P. D. vom 21.12.2002 zu ersetzen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgebracht, die Zeugen T. und D. seien lediglich mit den typischen und deshalb hinzunehmenden Belastungen ihres Berufes konfrontiert worden.

Der Einzelrichter der 3. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) hat durch Urteil vom 23.6.2005 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat er ausgeführt, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 3 Nr. 1 PflichtVG, § 98 LBG nicht zu, weil es sich bei dem psychischen Schaden um die Verwirklichung des allgemeinen Berufsrisikos der Zeugen gehandelt habe, wofür es keinen schadensrechtlichen Ausgleich gebe; in Fällen der vorliegenden Art, in denen es um die haftungsrechtliche Geltendmachung eines Schockerlebnisses im Zusammenhang mit einer Drittverletzung gehe, würde der Kreis der Ersatzberechtigten durch eine normative Eingrenzung über den Schutzzweck der Haftungsnorm auf nahe Angehörige beschränkt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Tatbestand und Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter; vorsorglich regt er an, die Revision zuzulassen. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II. Die Berufung ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei. In der Sache hat sie nur zu einem geringen Teil Erfolg.

1. Der Zahlungsanspruch ist begründet, soweit der Kläger aus übergegangenem Recht den Ersatz von Dienstbezügen verlangt, die er an den Zeugen T. gezahlt hat, als dieser wegen einer durch den streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 21.12.2002 erlittenen "Distorsion der HW...

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