Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung zur elterlichen Sorge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelung des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 621g, 620 bis 620g ZPO gilt auch für von Amts wegen eingeleitete und zu betreibende Rechtsfürsorgeangelegenheiten wie die Entziehung der elterlichen Sorge.

Für in der der Rechtsprechung bislang anerkannte, der Verfahrensordnung der Freiwilligen Gerichtsbarkeit unterworfene vorläufige Anordnungen ist insoweit nach dem Kindschaftsreformgesetz kein Raum mehr.

2. § 620c ZPO eröffnet den Beschwerdeweg nur bei einer tatsächlichen vorläufigen Regelung der elterlichen Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung, nicht aber bei Abweisung eines dahingehenden Antrages des Jugendamtes.

 

Normenkette

BGB § 1666; ZPO § 620-620g, § 621 Abs. 1 Nr. 1, § 621g

 

Verfahrensgang

AG Speyer (Beschluss vom 22.12.2005; Aktenzeichen 43 F 107/05)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

II. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

III. Die Antragstellerin hat den Antragsgegnern die notwendigen Auslagen des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

IV. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 500 EUR festgesetzt.

V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Das Jugendamt des Rhein-Pfalz-Kreises hat mit Schreiben vom 31.3.2005 beantragt, den Antragsgegnern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das betroffene Kind F. nach § 1666 BGB im Wege der einstweiligen Anordnung zu entziehen. Gegen den Antragsgegner ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs, begangen an Kindern aus einer früheren Beziehung, anhängig. Zur Begründung des Antrags wird weiter geltend gemacht, auch die Antragsgegnerin könne das Wohl des Kindes nicht ausreichend sicherstellen, solange sie an einem Zusammenleben mit dem Antragsgegner festhalte.

Die Antragsgegner sind mit dem betroffenen Kind nach Antragstellung in den Bereich des Stadtjugendamtes ... verzogen.

Das FamG hat die Kindeseltern und Vertreter beider Jugendämter am 12.12.2005 (nach Vorlage eines psychologischen Glaubwürdigkeitsgutachtens im Ermittlungsverfahren) angehört und sodann den Antrag auf Erlass vorläufiger Maßnahmen zurückgewiesen.

Der Rhein-Pfalz-Kreis,..., hat gegen die Entscheidung mit Schreiben vom 5.1.2006 Beschwerde eingelegt. Die Stadtverwaltung ... hat mit einem am 17.1.2006 eingegangenen Schreiben mitgeteilt, dass das Jugendamt des Rhein-Pfalz-Kreises gebeten worden sei, die Beschwerde zu begründen, nachdem man von dem Gutachten, Beschlüssen und Beschwerden erfahren habe..

II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist unzulässig.

Die Entscheidung des FamG, mit welcher der Erlass einer einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge betreffend abgelehnt wurde, ist unanfechtbar.

In Verfahren über die Regelung der elterlichen Sorge nach § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kann das FamG auch außerhalb eines Scheidungsverbundes auf Antrag einstweilige Anordnungen nach den §§ 620a bis 620g ZPO erlassen (§ 621g ZPO). Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob diese Bestimmungen entsprechend in Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB anzuwenden sind oder für den einstweiligen Rechtsschutz in diesem Bereich weiterhin die gesetzlich nicht geregelte vorläufige Anordnung heranzuziehen ist.

Nach dem Wortlaut von § 621g ZPO - entsprechend im Verbundverfahren nach § 620 ZPO - ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung von einem Antrag abhängig. Dies passt nicht ohne weiteres auf die von Amts wegen zu betreibenden Verfahren nach § 1666 BGB, für die ein beteiligtes Jugendamt lediglich Anregungen geben kann. Aus der Formulierung von § 621g ZPO wird deshalb zum Teil geschlossen, der Gesetzgeber habe dessen Anwendungsbereich auf die kontradiktorischen Verfahren auf Antrag der Eltern beschränken wollen (OLG Hamm v. 4.11.2003 - 2 WF 371/03, FamRZ 2004, 1046; Dose, Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, 2. Aufl., Rz. 192g).

Demgegenüber ist nach anderer Auffassung § 621g ZPO auf Amtsverfahren entsprechend anwendbar (OLG Dresden v. 10.1.2003 - 10 WF 783/02, MDR 2003, 633 = OLGReport Dresden 2003, 399 = FamRZ 2003, 1306; OLG Karlsruhe v. 30.1.2004 - 16 WF 201/03, OLGReport Karlsruhe 2004, 328 = FamRZ 2005, 120; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, Eherecht, 4. Aufl., § 621g Rz. 4; Gießler/Soyka, Vorläufiger Rechtsschutz in Ehe-, Familien- und Kindschaftssachen, 4. Aufl., Rz. 261).

Der letztgenannten Ansicht schließt sich der Senat an.

Der Wegfall von § 620 S. 2 ZPO durch das Kindschaftsrechtsreformgesetzes 1998, wonach betreffend die elterliche Sorge eine einstweilige Anordnung auch von Amts wegen erlassen werden konnte, steht im Zusammenhang mit der Neuregelung, dass über die elterliche Sorge im Verbund mit einer Ehesache nicht mehr von Amts wegen, sondern nur auf Antrag zu entscheiden ist (§ 623 Abs. 3 ZPO a.F. und § 623 Abs. 1 S. 3 n.F.). Die Befugnis zum Erlass einer einstweiligen Anordnung von Amts wegen ohne Antrag in der Hauptsache wäre mit der gesetzgeberischen Absicht, mit der Neuregelung die elte...

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