Leitsatz (amtlich)

Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 621g i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Jugendamt grundsätzlich beschwerdebefugt. Dies gilt nicht in Fällen des § 620c S. 2 ZPO nach Ablehnung einer einstweiligen Anordnung oder nach gänzlicher oder teilweiser Aufhebung einer solchen.

 

Verfahrensgang

AG Mannheim (Beschluss vom 22.10.2003)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des beteiligten Stadtjugendamtes Mannheim wird als unzulässig verworfen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem beteiligten Stadtjugendamt Mannheim auferlegt.

3. Streitwert: 500 Euro.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Das AG Mannheim hat in einem isolierten Sorgerechtsverfahren auf Antrag des Jugendamtes der Kindesmutter die elterliche Sorge betreffend ihr am ... 2003 geborenes Kind mit einer einstweiligen Anordnung vom 30.7.2003 auf einen Vormund übertragen und das Jugendamt Mannheim als Amtsvormund bestellt (§§ 1666, 1666a BGB). Mit Beschluss vom 22.10.2003 hat das AG die einstweilige Anordnung dahingehend eingeschränkt, dass die Kindesmutter berechtigt ist, einen Krankenhausaufenthalt auf der Mutter-Kind-Station im Psychiatrischen Zentrum Nordbaden Wiesloch für die Dauer von sechs Wochen mit ihrem Kind zu verbringen. Hiergegen wendet sich das Stadtjugendamt der Stadt Mannheim als Amtsvormund.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Das Jugendamt ist zwar grundsätzlich beschwerdeberechtigt (1). Indessen handelt es sich bei der angefochtenen Abänderungsentscheidung um eine solche, die gem. § 620c S. 2 i.V.m. § 621g S. 2 ZPO für das Jugendamt unanfechtbar ist (2).

1. Bis zur Regelung der bis dahin gewohnheitsrechtlich möglichen und zur Abgrenzung von der einstweiligen Anordnung nach §§ 620 ff. ZPO verbreitet "vorläufig" genannten Anordnung in den die elterliche Sorge (und andere Gegenstände) betreffenden Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit war ein Beschwerderecht des Jugendamtes nicht bestritten. Die Beschwerde gegen die Ablehnung wie den Erlass einer vorläufigen Anordnung war als einfache Beschwerde gem. § 19 Abs. 1 FGG ausgestaltet; die Beschwerdeberechtigung des Jugendamtes beruhte auf § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG. Der nur für befristete Rechtsmittel geltende Abs. 2 der Bestimmung stand ihr deshalb nicht entgegen. Es war damit auch überflüssig, in § 64 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 FGG eine weitere Unterausnahme für die auf § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG beruhende Beschwerdeberechtigung des Jugendamtes zu machen. Soweit diese verbreitet im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach §§ 620 ff. ZPO verneint wurde (KG, Beschl. v. 23.1.1979 - 17 WF 4357, FamRZ 1979, 740; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.1.1991 - 2 WF 189/90, FamRZ 1991, 969; ohne besondere Erwähnung des § 621g ZPO neuerdings noch Keidel/Weber, FGG, 15. Aufl., § 64 Rz. 37d), geschah dies ersichtlich deshalb, weil das Verfahren nach §§ 620 ff. ZPO nur die Eheleute betreffe und Dritte sich hieran nicht beteiligen könnten (KG, Beschl. v. 23.1.1979 - 17 WF 4357, FamRZ 1979, 740). Dieser Gesichtspunkt galt nicht für isolierte Sorgerechtsstreitigkeiten und gilt auch weiterhin nicht. Allerdings ist mit der gesetzlichen Regelung der bisherigen vorläufigen Anordnung als einstweilige Anordnung nach § 621g ZPO durch das Gewaltschutzgesetz vom 11.12.2001 deren Anfechtung nur noch mittels sofortiger Beschwerde möglich, so dass es an sich auch für diese einer Unterausnahme für das Jugendamt bedarf, wie sie für die befristete Beschwerde nach den §§ 621e und 629 Abs. 2 ZPO in § 63 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 FGG vorgesehen ist.

Es ist aber kaum anzunehmen, dass mit der genannten gesetzlichen Regelung der einstweiligen Anordnung in FGG - Familiensachen die bis dahin anerkannte grundsätzliche Beschwerdeberechtigung des Jugendamtes gänzlich beseitigt werden sollte. Sie dem Jugendamt weiterhin zu belassen widerspricht auch nicht dem Sinn und Zweck des § 57 Abs. 2 FGG. Diese Bestimmung soll verhindern, dass angesichts der unüberschaubaren Zahl der Beschwerdeberechtigten in § 57 Abs. 1 Nr. 8 und 9 - hier Nr. 9 - FGG der Eintritt der formellen Rechtskraft behindert wäre, weil die anzufechtende Entscheidung zuvor dieser unüberschaubaren Zahl bekannt gemacht werden müsste. Die Beschwerdeberechtigung des Jugendamtes, also eines einzelnen weiteren Beteiligten neben den Eltern, behindert den Eintritt der formellen Rechtskraft nicht. Sie ist schließlich auch grundsätzlich erforderlich, damit das Jugendamt weiterhin "eine Art staatliches Wächteramt im Sinne des Kindeswohls" wahrnehmen kann (Johannsen/Henrich/Sedemund/Treiber, Eherecht, 4. Aufl. 2003, § 620c ZPO Rz. 4).

2. Damit ist jedoch auch in Fällen des § 620c S. 2 ZPO dem Jugendamt kein Beschwerderecht einzuräumen, welches nicht einmal den Eltern zustünde.

Unanfechtbar sind nach dieser Bestimmung die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung und die gänzliche oder teilweise Aufhebung einer solchen. Für den Fall, dass mit einer einstweiligen Anordnung ein Teilbereich der elterlichen Sorge geregelt wurde, hat der Senat unterschieden zwischen dem...

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