Leitsatz (amtlich)

Für die Inbetriebnahme eines zulassungsfreien Fahrzeugs im Sinne von §§ 19 Abs. 5 Satz 1, 69a Abs. 2 Nr. 1 a StVZO genügt weder die Anbringung eines Versicherungskennzeichens noch das Abstellen in betriebsbereitem Zustand auf Privatgelände.

 

Verfahrensgang

AG Landau (Pfalz) (Entscheidung vom 25.08.2020)

 

Tenor

  1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 25. August 2020 aufgehoben und der Betroffene freigesprochen.
  2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Landeskasse.
 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "vorsätzlicher Inbetriebnahme eines Fahrzeugs, obwohl die Betriebserlaubnis erloschen war, die Verkehrssicherheit war hierdurch wesentlich beeinträchtigt" zu einer Geldbuße von 135 Euro verurteilt, ohne eine vorhandene Voreintragung im Fahreignungsregister bußgelderhöhend zu berücksichtigen.

Gegen diese Verurteilung wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde. Der Einzelrichter des Senats hat mit gesondertem Beschluss die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts zugelassen und dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden übertragen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.

II.

Das Amtsgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

"Der Betroffene war am 27.08.2019, und davor, Eigentümer eines Kleinkraftrades, Roller, Peugeot Speedfight 2, Versicherungskennzeichen .... Zum genannten Tattag befand sich das Fahrzeug im Hof des Anwesens .... Das Hoftor war geöffnet. Die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs war wesentlich beeinträchtigt. Das Fahrzeugheck wurde nachträglich höher gelegt, wodurch die Betriebserlaubnis des Fahrzeuges erloschen war."

Zur rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht ausgeführt: "Er hat sein Fahrzeug ca. eine Woche nach dem Erwerb am 3.8.2020 [gemeint ist wohl 2019] zugelassen und somit in Betrieb genommen, obwohl die Höherlegung nicht eingetragen war. [...] Die tatbestandlich erforderliche Gefährdung des Straßenverkehrs lag nicht nur prognostisch, was bereits ausreicht, sondern schon konkret vor. Denn durch die Höherlegung des Fahrzeughecks, besteht die konkrete Gefahr, dass das Fahrzeug während der Fahrt nicht mehr beherrscht werden kann. [...] Aufgrund der Tatsache, dass das Fahrzeug betriebsbereit und zugelassen im Hof des Anwesens stand, das der Betroffene zum Tatzeitpunkt auch bewohnt hat, liegt auch die Tatbestandsvoraussetzung der Inbetriebnahme vor. [...] Es handelt sich um eine lebensfremde Schutzbehauptung des Betroffenen, der behauptet, das Fahrzeug habe 2 oder 3 Wochen unbenutzt im Hof gestanden."

III.

Das angefochtene Urteil unterliegt auf die als Sachrüge zu verstehenden Ausführungen der Rechtsbeschwerde hin der Aufhebung. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht.

1. Das Amtsgericht hat in dem festgestellten Verhalten einen vorsätzlichen Verstoß gegen §§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 5, 69 a StVZO, § 24 StVG gesehen. Durch diese Normen wird eine Ordnungswidrigkeit beschrieben, die - vorsätzlich oder fahrlässig - dadurch begangen wird, dass ein Fahrzeug auf öffentlichen Straßen in Betrieb genommen wird (§ 69 a Abs. 2 Nr. 1 a iVm. § 19 Abs. 5 StVZO), dessen Betriebserlaubnis erloschen ist (§ 19 Abs. 2 StVZO), weil Veränderungen an ihm vorgenommen wurden, durch die eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist.

Das Amtsgericht hat bereits die "Zulassung" des Rollers als Inbetriebnahme angesehen. Leichtkrafträder wie der verfahrensgegenständliche Motorroller bedürfen indes nicht der Zulassung, § 16 Abs. 1 StVZO, § 3 Abs. 2 Nr. 1 c FZV. Zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr brauchen sie lediglich eine Haftpflichtversicherung, die durch ein Versicherungskennzeichen nachgewiesen wird. In welcher Handlung das Amtsgericht die "Zulassung" und damit nach seiner Ansicht die "Inbetriebnahme" sieht, bleibt insofern offen.

Entscheidend ist jedoch, dass der Begriff der "Inbetriebnahme" sowohl in § 69 a Abs. 2 Nr. 1 a StVZO als auch in § 19 Abs. 5 Satz 1 StVZO, die aufeinander bezogen sind, verwendet wird und deshalb enger zu verstehen ist, als das Amtsgericht meint. Eine allgemeine Definition des Begriffes ist zwar nach der Kommentarliteratur nicht möglich, vielmehr sei danach der Begriff jeweils im Sinnzusammenhang mit dem Verstoß auszulegen auf den § 69 a StVZO verweist (vgl. Bachmeier/Müller/Rebler, Verkehrsrecht, 3. Auflage 2017, § 69 a StVZO Rn. 3; BeckOK StVR/Semrau, 9. Ed. 1.10.2020, StVZO § 69a Rn. 4 f.; Krumm, in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 69 a StVZO Rn. 3). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Begriff nicht abschließend definiert. Jedoch setzt der Bundesgerichtshof dabei - im Zusammenhang mit einer unzureichenden Bereifung eines Fahrzeugs - jedenfalls ein Bewegen des betroffenen Fahrzeugs voraus, wenn er unter den Begriff der Inbetriebnahme nicht nur das Ingangsetzen des Fahrze...

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