Leitsatz (amtlich)

Der Art des geführten Kraftfahrzeugs (hier E-Scooter) kommt für die abstrakte Gefahr, die von einer Trunkenheitsfahrt für die Sicherheit des Straßenverkehrs ausgeht, keine derart bestimmende Bedeutung zu, dass dieser Umstand allein schon die Indizwirkung des Regelbeispiels nach §§ 25 Abs. 1 Satz 2, 24a StVG entfallen lässt.

 

Verfahrensgang

AG Kaiserslautern (Entscheidung vom 07.04.2021; Aktenzeichen 4 OWi 6070 Js 4154/21)

 

Tenor

  1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 07.04.2021 wird als unbegründet verworfen.
  2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
 

Gründe

I.

1. Das Amtsgericht Kaiserslautern hat den Betroffenen am 07.04.2021 wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung des berauschenden Mittels Kokain (190 ng/mL) zu einer Geldbuße in Höhe von 500,- € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Beanstandet wird, dass beim Verwenden eines E-Scooters nicht zwingend ein Regelfahrverbot angeordnet werden müsse.

2. Der Einzelrichter des Senats hat durch Beschluss vom 28.06.2021 gemäß § 80a OWiG das weitere Verfahren dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zur Fortbildung des Rechts übertragen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die ausschließlich erhobene Sachrüge erweist sich als unbegründet.

1. Nach den Feststellungen des Bußgeldrichters führte der Betroffene am 08.10.2020 gegen 19:22 Uhr im Stadtgebiet von Kaiserslautern einen E-Scooter mit dem Versicherungskennzeichen ..., zuletzt auf der Karl - Marx - Straße. Anlässlich einer polizeilichen Kontrolle wurde festgestellt, dass der Betroffene aufgrund vorangegangenen Betäubungsmittelkonsums eine Konzentration von 190 ng/mL Kokain im Blut aufwies; daneben Benzoylecgonin von 1800 ng/mL und Methyllecgonin von 55 ng/mL. Der Betroffene hätte die relevante Kokain-Konzentration, die zu einer konkreten Beeinflussung geführt hat, erkennen und die Fahrt unter Betäubungsmitteleinfluss vermeiden können.

Hinsichtlich des verhängten Fahrverbotes hat der Bußgeldrichter ausgeführt, dass im Bußgeldkatalog ein Fahrverbot von 1 Monat vorgesehen sei und keine Gründe bestünden, hiervon abzuweichen. Gründe vom Fahrverbot abzusehen seien nicht vorgetragen; das Führen eines E-Scooters begründe dies nicht.

2. Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung über die Verhängung eines Regelfahrverbotes nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass der Betroffene lediglich einen E-Scooter führte, hat er in der Sache keinen Erfolg.

a) § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG normiert ein gesetzliches Regelfahrverbot. Im Falle einer Trunkenheitsfahrt nach § 24a StVG begründet die gesetzliche Indizwirkung auf der Tatbestandsebene, dass diesem Verhalten diejenige gesteigerte abstrakte Gefährdung anderer Personen und Sachen innewohnt, wie sie typisch für Fahrten unter Alkohol- oder Drogenwirkung ist. Eines zusätzlichen groben oder besonders pflichtwidrigen Verhaltens i.S.d. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG bedarf es nicht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09. November 1998 - 5 Ss (OWi) 299/98 - (OWi) 131/98 I, juris Rn. 14; Deutscher in Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl, Rn. 3616). Zugleich wird auf der Rechtsfolgenseite durch die Tatbestandverwirklichung die Vermutung begründet, dass es zur Einwirkung auf den Betroffenen des Fahrverbots bedarf und dies keine unangemessene Härte darstellt.

Zwar ist die Indizwirkung auf beiden Ebenen grundsätzlich widerlegbar. Die Möglichkeiten die Indizwirkung indes zu entkräften, sind wegen der besonderen Gefährlichkeit der Trunkenheitsfahrt stark eingeschränkt. Sie kommt nur in Betracht, wenn die Tatumstände so aus dem Rahmen üblicher Begehungsweisen fallen, dass die Vorschrift über das Regelfahrverbot offensichtlich nicht darauf zugeschnitten ist. Den Gerichten ist deshalb in den Fällen des § 24a StVG bei der Entscheidung darüber, ob von einem Fahrverbot im Einzelfall ausnahmsweise abgesehen werden kann, ein geringerer Ermessensspielraum eingeräumt. Angesichts des höheren Unrechtsgehalts und der Gefährlichkeit einer derartigen Ordnungswidrigkeit versteht sich vielmehr die grundsätzliche Angemessenheit eines Fahrverbots regelmäßig von selbst (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Januar 2019 - 1 OWi 2 SsRs 24/18 [nicht veröffentlicht]; OLG Bamberg, Beschluss vom 02.07.2018 - 3 Ss OWi 754/18, juris Rn. 6; Beschluss vom 29. Oktober 2012 - 3 Ss OWi 1374/12, juris Rn. 3; Deutscher a.a.O. Rn. 3618 m.w.N.).

b) In der jüngeren Rechtsprechung wird teilweise der Umstand, dass ein E-Scooter angesichts des geringeren Gewichts und der bauartbedingten Geschwindigkeit hinsichtlich der Gefährlichkeit eher mit einem Fahrrad als einem einspurigen Kraftfahrzeug gleichzusetzen sei, bei der Frage der Indizwirkung einer Trunkenheitsfahrt als maßge...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge