Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsgebühr im isolierten Sorgerechtsverfahren/Vergütung aus der Staatskasse

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Einigungsgebühr i.S.v. Nr. 1.000 RVG-VV kann im isolierten Sorgerechtsverfahren auch dann entstehen, wenn kein Vergleichsvertrag i.S.v. § 779 BGB geschlossen wurde (Fortführung OLG Zweibrücken v. 14.12.2005 - 2 WF 220/05, OLGReport Zweibrücken 2006, 242). Ist die Gebühr entstanden, so ist sie dem beigeordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu vergüten. Auch die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung setzt - insoweit anders, als die Erstattung im Kostenfestsetzungsverfahren - nicht voraus, dass ein förmlicher Prozessvergleich protokolliert worden ist (Abgrenzung zu BGH v. 28.3.2006 - VIII ZB 29/05, BGHReport 2006, 940 = Rpfleger 2006, 436).

 

Normenkette

RVG § 2 Abs. 2, § 33 Abs. 1, § 55; RVG-VV Nr. 1000; ZPO §§ 103-104; BGB § 779

 

Verfahrensgang

AG Bad Dürkheim (Beschluss vom 19.05.2006; Aktenzeichen 2 F 93/05)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die - gemäß den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige - Beschwerde der Landeskasse bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die Kostenbeamtin des FamG auf die Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zu Recht ihren ursprünglichen Festsetzungsbeschluss vom 2.3.2006 geändert und mit Beschluss vom 7.4.2006 die Einigungsgebühr nach Nr. 1.000 RVG-VV i.H.v. 219,24 EUR einschließlich Mehrwertsteuer festgesetzt hat.

Nach der Bestimmung der Nr. 1.000 RVG-VV, die an die Stelle des § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 BRAGO getreten ist, entsteht die Gebühr für die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.

Die Voraussetzungen dieser Regelung sind hier erfüllt.

Der Senat hat bereits in seinem grundlegenden Beschluss vom 14.12.2005 (OLG Zweibrücken v. 14.12.2005 - 2 WF 220/05, OLGReport Zweibrücken 2006, 242) dargelegt, dass er nach Inkrafttreten des RVG seine Rechtsauffassung geändert hat und nunmehr die Auffassung teilt, dass auch in isolierten Sorgerechtsverfahren die Einigungsgebühr der Nr. 1.000 RVG-VV - grundsätzlich - anfallen kann.

Dem liegt zugrunde, dass die Nr. 1.000 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG im Unterschied zu § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 BRAGO für das Entstehen der Einigungsgebühr keinen Vergleichsvertrag i.S.v. § 779 BGB mehr voraussetzt. Der Gesetzgeber ist von diesem Erfordernis bewusst abgerückt, um "jegliche vertragliche Beilegung des Streits zu honorieren" (BT-Drucks. 15/1971, 147, 204). Mithin sind nach seinem Willen an eine vertragliche Regelung zur Streitbeilegung geringere Voraussetzungen zu stellen, als an einen Vergleich i.S.v. § 779 BGB. Wie der Ausschluss von Anerkenntnis und Verzicht zeigt, geht diese Herabsetzung der Voraussetzungen zwar nicht so weit, dass das Erfordernis eines gegenseitigen Nachgebens gänzlich entfällt. Sie rechtfertigt es aber für Fälle der Einigung im Sorgerechtsverfahren vom Erfordernis der Verfügungsbefugnis über den Gegenstand der Einigung Abstand zu nehmen. Deshalb entspricht es seit Inkrafttreten des RVG der - soweit ersichtlich - vorherrschenden Auffassung, dass auch in isolierten Sorgerechtsverfahren eine Einigungsgebühr anfallen kann (vgl. Schneider, Die Einigungsgebühr nach dem RVG, MDR 2004, 423; OLG Nürnberg FamRZ 2005, 741, m.w.N.).

Die Voraussetzungen für eine in diesem Sinn zu verstehende Einigung der Eltern liegen hier vor.

Die Eltern haben zunächst gegenläufige Anträge auf Übertragung der elterlichen Alleinsorge gestellt. Nachdem das FamG ein kinderpsychologisches Gutachten eingeholt hatte, haben die Eltern anlässlich ihrer Anhörung am 25.1.2006 auf Vorschlag des FamG eine Einigung dahin erzielt, dass es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge bewenden und der Mutter das Recht der Aufenthaltsbestimmung und der Gesundheitsfürsorge übertragen werden soll.

Somit haben beide Parteien durch gegenseitiges Nachgeben ihren bisherigen Streit beigelegt.

Die Tatsache, dass das FamG das Verfahren mit Beschluss vom 25.1.2006 beendet und der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitsfürsorge übertragen hat, vermag nichts daran zu ändern, dass das Verfahren aufgrund vorheriger Einigung der Eltern ein gütliches Ende genommen hat.

Der Senat setzt sich mit dieser Rechtsauffassung nicht in Widerspruch zu dem von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Beschluss des BGH vom 28.3.2006 (BGH v. 28.3.2006 - VIII ZB 29/05, BGHReport 2006, 940).

Die Kostenbeamtin des FamG weist in ihrer Entscheidung über die Nichtabhilfe vom 16.5.2006 zu Recht darauf hin, dass der Beschluss des BGH ein zivilprozessuales Kostenfestsetzungsverfahren gemäß den §§ 103, 104 ZPO und damit die Frage prozessualer Erstattungsfähigkeit von Kosten im Außenverhältnis zur gegnerischen Partei zum Gegenstand hatte.

Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit mag in solchen ...

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