Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschlussfähigkeit einer Wohnungseigentümerversammlung nach § 25 Abs. 3 WEG ist für jede einzelne Beschlussfassung gesondert zu prüfen.

2. Ein Mitglied des Wohnungseigentümerbeirats ist bei der Abstimmung über dessen Entlastung gemäß § 25 Abs. 5 WEG vom Stimmrecht ausgeschlossen. Dieses Stimmrechtsverbot erfasst auch die Ausübung von Stimmrechtsvollmachten anderer Wohnungseigentümer.

3. Ist der Beschluss über die Entlastung noch mit weiteren Abstimmungsgegenständen (hier: Jahresabschluss) verbunden, so erstreckt sich der Stimmrechtsausschluss auch darauf.

 

Normenkette

WEG § 25 Abs. 3; WEG § Abs. 5

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 5 T 72/00)

AG Ludwigshafen (Aktenzeichen 2e UR II 96/99. WEG)

 

Tenor

1. Der angefochtene Beschluss wird im Kostenpunkt und, soweit der antrag hinsichtlich TOP 3a des Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung vom 25.6.1999 zurückgewiesen worden ist, geändert:

Auch in diesem Umfang wird unter entsprechender Abänderung des Beschlusses des AG Ludwigshafen am Rhein vom 13.6.2000 der vorgenannte Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung für ungültig erklärt.

2. Von den Gerichtskosten des ersten Rechtszuges haben der Beteiligte zu 1) 1/4 und die Beteiligten zu 2) und 3) 3/4 zu tragen.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben die Gerichtskosten beider Beschwerdeinstanzen zu tragen.

3. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 45.140,52 DM (23.079,68 EUR) festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die Miteigentümer einer Teil- und Wohnungseigentumsanlage. In der Eigentümerversammlung vom 25.6.1999 wurde u.a. unter TOP 3a über die Genehmigung des durch die Beteiligte zu 3), Verwalterin der Anlage, vorgelegten Jahresabschlusses für 1998 sowie – in demselben Abstimmungsvorgang – die Entlastung von Verwaltung und Beirat abgestimmt. Bei der Versammlung waren 76,31 % (7.631,0576/10.000stel) der Wohnungsanteile vertreten. 6.914,7143/10.000stel davon wurden durch den Wohnungseigentümerbeirat repräsentiert, dessen Mitglieder durch die Eigentümer schriftlich bevollmächtigt waren. Im Rahmen der Abstimmung wurden für 7.324,6283/10.000stel der Anteile „Ja”-Stimmen und für 306,4293/10.000stel „Nein”-Stimmen abgegeben.

Der Beteiligte zu 1) hält die Abstimmung für unwirksam und hat beantragt, den Wohnungseigentümerbeschluss (u.a.) insoweit für ungültig zu erklären. Das AG hat diesen Antrag abgewiesen, das LG die hierauf gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

II. 1. Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft und auch sonst in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG, 21, 27, 29 Abs. 1, 2 und 4 FGG). Der nach § 45 Abs. 1 WEG erforderliche Beschwerdewert ist erreicht. Er bestimmt sich im vorliegenden Fall nach dem vermögenswerten Interesse des Beteiligten zu 1) als Rechtsmittelführer an der von ihm begehrten Änderung des angefochtenen Beschlusses des LG. Maßgebend ist mithin diejenige Belastung, die ihn trifft, wenn es bei der angefochtenen Entscheidung verbleibt (vgl. BGH v. 17.9.1992 – V ZB 21/92, MDR 1992, 1177 = NJW 1992, 3305). Da die durch die angefochtene Beschlussfassung, TOP 3a, gegen ihn festgesetzten nicht umlagefähigen Kosten bereits 1.500 DM übersteigen, ist der hier maßgebliche Beschwerdewert unzweifelhaft erreicht. Auf die von den Beteiligten zu 2) und 3) aufgeworfene Frage, wie der Beteiligte zu 1) sein Rechtsmittel begründet, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

2. Auch in der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde Erfolg. Die Entscheidung der Vorinstanz, den im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde allein noch zur Prüfung stehenden Beschluss der Eigentümerversammlung zu TOP 3a nicht für ungültig zu erklären, beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO). Mit der von den Parteien aufgeworfenen Frage, ob der Anspruch auf Wohngeld gem. TOP 3a der Tagesordnung verwirkt war, braucht sich der Senat dabei nicht zu befassen. Denn der Beschluss ist bereits deshalb in seiner Gesamtheit ungültig, weil er in einer insoweit nicht beschlussfähigen Versammlung gefasst worden ist.

a) Allerdings ist die Entscheidung des LG nicht bereits als verfahrensfehlerhaft aufzuheben. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass die Kammer die Entscheidung unter Mitwirkung zweier Richter getroffen hat, die an der mündlichen Verhandlung vom 8.11.2000 nicht teilgenommen haben. Anders als im Zivilprozess (§ 309 ZPO) schadet es in Wohnungseigentumssachen nicht, wenn die abschließende Entscheidung von Richtern erlassen wird, die nicht mit der Besetzung in der mündlichen Verhandlung identisch sind. Denn die mündliche Verhandlung ist im Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz nicht die alleinige Grundlage der Entscheidung; schriftliches Vorbringen ist vielmehr in jedem Fall zu berücksichtigen (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.10.2001 – 3 W 102/01, OLGReport Zweibrücken 2002, 89; BayObLGZ 1990, 173 [175]; BayObLG NJW-RR 1991, 140 f.; Bärmann/Pic...

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