Leitsatz (amtlich)

Für das objektive, wirtschaftliche Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Einziehungsanordnung kommt der Anklageschrift, wenn diese sich zur Vermögensabschöpfung äußert, grundsätzlich erhebliche Bedeutung zu; der Inhalt der Anklageschrift verliert allerdings seine Bedeutung für die Bestimmung des Gegenstandwertes für das Einziehungsverfahren, wenn die Vermögensabschöpfung in der genannten Höhe ernstlich nicht im Raum steht und die Berechnung deshalb nur fiktiven Charakter hat.

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Entscheidung vom 30.12.2022; Aktenzeichen 2 KLs 5127 Js 46912/20)

 

Tenor

Die Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss der 2. Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 30.12.2022 wird als unbegründet verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) hat gegen den Verurteilten, dem der Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist, wegen verschiedener Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz unter dem 12.04.2022 Anklage zum Landgericht erhoben. In der Anklageschrift wird darauf hingewiesen, dass ein Betrag von 660.500,00 € gem. §§ 73, 73c, 73d StGB der Einziehung unterliege und ein Betrag in Höhe von 31.704.000,00 € gem. §§ 73a, 73c, 73d StGB der erweiterten Einziehung unterliege. Unter der Überschrift "Vermögensabschöpfung" wird dies näher begründet. In der Hauptverhandlung hat der Vertreter der Staatsanwaltschaft die Einziehung von Taterträgen in Höhe von 274.000,00 € und den "erweiterten Verfall" in Höhe von 85.500,00 € beantragt. Das Landgericht hat im Urteil vom 11.07.2022 die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 101.500,00 € angeordnet.

Nach Einreichung des Kostenfestsetzungsantrags durch den Beschwerdeführer hat die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Frankenthal (Pfalz) die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Einziehungsverfahren beantragt. Mit dem angefochtenen Einzelrichterbeschluss hat das Landgericht diesen Gegenstandswert auf 660.500,00 € festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, die erweiterte Einziehung von Taterträgen in Höhe von 31.704.000,00 € sei nach Aktenlage niemals ernsthaft in Betracht gekommen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verteidigers, mit der die Festsetzung eines Gegenstandswertes von 30.000.000,00 € angestrebt wird. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 20.01.2023 der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Der gem. § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbs. 2 RVG zur Entscheidung berufene Einzelrichter hat das Verfahren gem. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen.

Die Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist die Frist für die Einlegung der Beschwerde, die gem. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG zwei Wochen beträgt, eingehalten. Der angefochtene Beschluss ist dem Verteidiger am 05.01.2023 zugestellt worden; die Beschwerdeschrift ist am 17.01.2023 bei dem Landgericht eingegangen.

Das Rechtsmittel bleibt allerdings in der Sache erfolglos.

Nach Nr. 4142 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV) fällt eine besondere Verfahrensgebühr als Wertgebühr an, wenn der Rechtsanwalt eine auf die Einziehung und verwandte Maßnahmen bezogene gerichtlich oder außergerichtliche Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt (BGH, Beschluss vom 29.11.2018 - 3 StR 625/17, juris Rn. 4). Die Verfahrensgebühr wird auch durch eine bloß beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgelöst. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Entstehen der zusätzlichen Gebühr ist eine nach Aktenlage gebotene Beratung des Mandanten. Das wird immer der Fall sein, wenn Fragen der Einziehung naheliegen. Es kommt weder darauf an, ob der Erlass der Maßnahme rechtlich zulässig ist, noch, ob es an einer gerichtlichen Entscheidung über die Einziehung fehlt, noch ist erforderlich, dass die Einziehung ausdrücklich beantragt worden ist. Es genügt, dass sie nach Lage der Sache ernsthaft in Betracht kommt (OLG Dresden, Beschluss vom 14.02.2020 - 1 Ws 40/20, juris Rn. 1; OLG Braunschweig, Beschluss vom 01.03.2022 - 1 Ws 38/22; juris Rn. 3).

Der Gegenstandswert für die Einziehung richtet sich nach dem objektiven wirtschaftlichen Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Anordnung (BGH, Beschluss vom 30.04.2014 - 1 StR 53/13, juris Rn. 1; Beschluss vom 07.10.2014 - 1 StR 166/07, juris Rn. 1; Beschluss vom 29.11.2018 - 3 StR 625/17, juris Rn. 5; Beschluss vom 22.05.2019 - 1 StR 471/18, juris Rn. 2). Maßgeblich ist - wie bei Festsetzung der Kosten im Zivilprozess - der Nominalwert der titulierten Einziehungsforderung. Eine Verringerung des Gegenstandswerts wegen fehlender Durchsetzbarkeit des Zahlungsanspruchs ist generell weder im Streitwert- noch im Kostenfestsetzungsverfahren vorgesehen. Es kommt daher nicht darauf an, ob wegen einer Vermögenslosigkeit des Angeklagten erhebliche Zweifel an der Werthaltigkeit der Einziehungsforderung bestehen (BGH, Beschluss vom 22.05.2019 - 1 StR 471/18, a. a. O. für das Revisionsverfahren; anders für den Arrest: BGH, Urteil vom 0...

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